Café der Nacht (German Edition)
Pfennig in der Tasche, aber einen Zack!-hier-bin-ich-Schneid, als hätte die Welt nur auf ihn gewartet!“ Er schüttelte laut lachend, erinnerungsversunken den Kopf. „Teufel auch, das war vielleicht ein Kerl. So einen gibt’s nicht noch mal! Und das ist auch ganz gut so, möchte ich sagen!“ Er gluckste und seufzte dann kellertief, schlagartig wieder ernst. „Ach, was hat der uns Sorgen bereitet. Oft haben wir beisammen gesessen, genau hier, und über ihn gesprochen, Fräulein Dela und ich. Haben uns gefragt, was aus ihm werden soll. Aber Hilfe wollte er ja nicht. Konnte nie etwas annehmen, der alte Sturschädel.“ Trotz seiner Worte war Hummelig die Zuneigung deutlich anzumerken. „Ich wusste, aus dem Jungen wird entweder ein Star, oder er geht vor die Hunde.“ Als ob er Maxims Unbehagen spürte, dämpfte der füllige Kunstpatron seinen mächtigen Bass. „Wer hätte geahnt, dass gleich beides passieren würde? Ach, das war ein Riesenschock für mich! Was für eine Verschwendung, so jung, so ein Talent. Aber wen die Götter lieben ...“ Er ließ den Satz unvollendet, und Maxim war froh darüber.
Stille legte sich zäh zwischen sie, beide versanken in Gedanken. Ein gefeierter Filmstar zu werden, schien Monroe einfach vorherbestimmt gewesen zu sein, als hätten die Nornen den Erfolg in sein Schicksalsgarn gewoben. Ein einziger Film, eigentlich nur die Low-Budget-Produktion eines Freundes, hatte ihn mit einem Donnerschlag berühmt gemacht. Niemand hatte damit rechnen können, dass daraus ein kleines Meisterwerk werden würde, ein echter Kultfilm. Danach gab es kein Zurück mehr, es ging Schlag auf Schlag und senkrecht bergauf. Sein plötzlicher Tod vor sieben Jahren hatte die Welt schockiert. Es war für Maxim schwer zu glauben, dass es schon so lange her sein sollte. Irgendwo tief im Innersten hatte er noch immer das Gefühl, dass Monroe nicht wirklich fort sein konnte. Dass er nicht fort sein durfte . Der Starkult hatte über die Jahre wenig nachgelassen. Es war eigenartig, zu sehen, was die Presse aus dem Menschen, den er so tief geliebt hatte, gemacht hatte. Vielleicht spielten die rätselhaften Umstände seines Todes eine Rolle, die zäh kursierenden Verschwörungstheorien. Diese eigenartige Geschichte mit dem versteckten Grab, das niemand aufspüren konnte. Genauso mysteriös waren Monroes gut gehütete Familienverhältnisse. Seine wahre Identität. Der Mensch hinter dem Pseudonym Dean Monroe blieb ein Rätsel, selbst für seine engsten Freunde. Selbst für Maxim. All die Jahre hatte er gedacht, dass sich irgendwann die Gelegenheit ergeben würde, mehr herauszufinden, sich auszusprechen. Doch als er die Gelegenheit bekommen hatte, hatte er sie ungenutzt verstreichen lassen. Bis heute konnte er sich das nicht verzeihen. Er würde es niemals tun, das wusste er. Die Dinge, die man nicht tut, wiegen oftmals so viel schwerer als alle Taten.
Hummelig nahm schlürfend einen Schluck aus seiner riesigen Tasse, dann lehnte er sich im Sitz zurück und betrachtete Maxim nachdenklich. Maxim war erleichtert. Offenbar stand ein Themenwechsel an.
„Nun sag aber mal, Junge, habe ich das recht verstanden, Dela hat dir das Café überlassen?“
„So hat sie es geschrieben, was natürlich in keiner Form rechtskräftig ist. Für mich macht das alles keinen Sinn. Weißt du, wie ich sie kontaktieren kann?“
Hummelig wiegte den Kopf hin und her. Für einen Moment meinte Maxim, dass er vielleicht mehr über diese Sache wusste, als er preiszugeben bereit war. „Hätte sie gewollt, dass du das tust, hätte sie dir wohl eine Adresse hinterlassen, was?“
„Warum macht sie das bloß? Weshalb die Geheimniskrämerei?“
Der alte Showhase ging wohlweislich nicht darauf ein. „Nun, mein lieber Freund, willst du denn tatsächlich das Café wieder aufmachen?“
Maxim lächelte vage. „Nein, Gustav, um Gottes willen. Im Grunde weiß ich nicht mal genau, was ich hier mache.“
Hummeligs kleine, blitzende Äuglein betrachteten ihn voll wohlwollendem Vergnügen. „Und ob du das weißt, Junge.“ Er schmunzelte genüsslich. „Sonst wärst du gar nicht hier.“
* * *
Sonst wäre er gar nicht hier. Die Stille in Delas leerem Haus schien noch tiefer zu sein, als am Vorabend. Der Himmel hatte sich eingetrübt und war nun eine langsam schwelende Masse aus grauen Wolkenfeldern. Es war erstaunlich dunkel, obwohl es kaum Mittag war. Maxim tat es weh, das Café so sehen zu müssen, so schmählich verlassen und vergessen.
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