Café der Nacht (German Edition)
Gleichzeitig stieg eine unsagbare Wut in ihm auf, die er sich nicht erklären konnte. Unbemerkt hatte Merlyn den Raum betreten und Nona mit nachdenklichem Blick betrachtet.
„Schatz, ich kann verstehen, wie du dich fühlst. Aber du kennst Monroe. Du solltest dem nicht zu viel Bedeutung beimessen.“
„Ex und hopp“, kommentierte Jeudi trocken und feixte, als sich Nonas strahlende Augen verletzt verdunkelten.
Merlyn warf der kecken Revoschizionärin einen warnenden Blick zu, und sie verzog sich endlich, um einigen Neuankömmlingen aus der Hummel die Neuigkeit aufzutischen.
Nona seufzte leise und zuckte die Achseln, während sie sich an die Wand neben dem Durchgang lehnte. „Ich weiß, was ihr alle von Dean haltet. Ihr versteht ihn eben nicht.“
Merlyns Stimme blieb sanft und verständnisvoll. „Monroe kann man gar nicht verstehen, Süße. Er will nicht verstanden werden.“
Nona sah ihn an und hob trotzig das Kinn. Merlyn blickte sie mit echter Sorge an. „Ich wäre dir ein schlechter Freund, würde ich dich nicht vor einem Fehler warnen.“
Nona senkte den Blick. Ihr Strahlen war verschwunden. „Dafür ist es längst zu spät. Ich kann eben nicht ändern, was ich fühle.“ Sie machte auf dem Absatz kehrt und lief zurück nach oben in die Wohnung. Ihrem bühnenreifen Abgang folgte ein langer Augenblick vollkommener Stille. Dann setzte das Plappern der Gespräche wieder ein und man ging an den Tischchen zur Tagesordnung über. Maxim dachte mit ungutem Gefühl an Rufus, und daran, wie er wohl die Neuigkeit aufnehmen würde.
„Darf ich?“ Merlyn trat an einen Stuhl an seinem Tisch heran und lächelte.Maxim nickte, dankbar für die willkommene Gesellschaft. Merlyn war der einzige Künstler, den er kannte, der nicht mehr wollte, als genau das, was er besaß. Vielleicht war er deshalb, als Einziger von allen, vollkommen frei.
„Traurig, das Ganze“, meinte Merlyn leise. „Jetzt ist es also doch passiert. Ich wünschte, sie hätte das nicht getan.“
„Hast du das gestern mitbekommen?“
„Ja. Es ging ihr nicht gut, sie haben geredet, und auf einmal ...“ Merlyn zuckte die Achseln. „Wie das eben so ist.“
„Er hätte das nicht ausnutzen dürfen. Er weiß, was sie für ihn empfindet“, grollte Maxim düster.
„Und sie weiß, dass er es nicht erwidert. Und dass er sich nie fest binden würde.“
„Er ist ein Mistkerl.“
„Nanu?“ Merlyn strich sich eine Strähne seines kinnlangen, dunklen Haares aus dem Gesicht. „Warum so wütend?“
„Warum nicht?“ Maxim schnaubte.
„Jetzt sag bloß nicht, dass du enttäuscht von ihm bist. Du kennst ihn doch. Was hast du erwartet?“
Maxim stierte finster auf die Tischplatte und rollte Merlyns Frage in Gedanken hin und her. Seine Gefühle pendelten ruhelos auf und ab, wie eine Waage, die ihr Gleichgewicht nicht mehr zu finden vermochte. Was hatte er erwartet? Dass Monroe sich plötzlich in Vida verwandeln und das Richtige tun würde?
„Gar nichts.“
Merlyn lächelte in sich hinein. „Maxim, Maxim. Pass bloß gut auf dich und dein kleines Herz auf.“
* * *
An diesem Abend wurde schlagartig das ganze Viertel in helle Aufregung versetzt. Unheilvoller, düsterer Rauch trieb die Einwohner aus den Häusern auf die Gassen, um Schreckliches zu enthüllen: Die Hummel brannte lichterloh! Innerhalb von Minuten war eine unruhige Menschenmenge zusammengelaufen. Fassungslos standen sie alle hinter der Feuerwehrabsperrung und starrten in die gewaltigen Flammen, die aus den Fenstern des Varietés loderten wie Höllenfeuer. Beißender Brandgeruch lag dunstglockenartig über der Straße und ließ Maxims Augen tränen. Schabernack kreiste über dem Gebäude und zeterte: „Schabernack! Schabernack!“
Hummelig schüttelte bekümmert den Kopf und schnäuzte sich heftig in sein geblümtes Stofftaschentuch. „Das ist das Ende!“, jammerte er mit seinem donnernden Bass. „Mein Ruin! Mein Untergang!“
„Nicht doch, Gustav.“ Dela legte ihm beruhigend ihre zarte Hand auf den baumdicken Oberarm. „Du bist gut versichert. Jetzt mach dir mal keine Sorgen.“
„Aber meine Künstler! Meine Technik! Was wird nun aus ihnen? Ach, es ist schrecklich!“
Kiki, die Schlangenfrau, war in Tränen aufgelöst und wurde von Merlyn getröstet. Magier Manni gestikulierte heftig, während er sich mit einem schreckensblassen Trompeter des kleinen Orchesters der Hummel unterhielt. Unbehaglich wechselte Maxim einen Blick mit Rufus. Er konnte Nona nirgends
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