Café der Nacht (German Edition)
Gedanken, er könnte sie nie wieder sehen.
* * *
„Es ist Vollmond. Mach dich auf alles gefasst“, raunte Rufus Maxim zu, als sie abends die Bar im Gewölbe öffneten. Als Maxim seinen Kollegen zweifelnd anschaute, grinste der leicht. „Wirst schon sehen.“
Es war noch früh, erst langsam trudelten die ersten Gäste ein. Aber schon nach kurzer Zeit musste er Rufus recht geben. Die schon sonst ziemlich ausgelassene Künstlerschar war heute wie aufgedreht, völlig außer Rand und Band. Etwas lag in der Luft, das alle reizbar, impulsiv und regelrecht kirre zu machen schien. Kiki und Donna machten sich vor aller Augen eine eifersüchtige Szene. Keine halbe Stunde später hatten sich die Liebenden wieder versöhnt und verzogen sich knutschend in eine dunkle Ecke.
Die Revoschizionäre diskutierten heftig über die Möglichkeit, ein eigenes, satirisches Theaterstück zu schreiben und im Kaleidoskop aufzuführen. Auf dem Höhepunkt der Wortgefechte konnten die Umstehenden gerade noch verhindern, dass Kristians und Monroe wieder einmal aufeinander losgingen. Maxim musste feststellen, dass er mittlerweile Rufus’ belustigte Gelassenheit bei den handfesten Auseinandersetzungen der Truppe nachvollziehen konnte. Inzwischen reagierte er nicht anders. Es gab sehr wenig, was ihn im Café der Nacht noch schockieren konnte. Und so heiß, wie es gekocht wurde, wurde hier nur sehr selten gegessen.
Caspar und Toblerone schleppten den aufgebrachten Monroe erst mal raus an die frische Luft, Jeudi stritt sich noch eine Weile vernehmlich mit Kristians weiter. Maxim, zu beschäftigt bei der Arbeit, verlor die Truppe bald aus den Augen. Die Zeit flog an diesem Abend. Hinter der Bar hatten sie alle Hände voll zu tun. Das Kätzchen musste helfen. Einmal mehr war Maxim für Rufus’ tiefe Gelassenheit dankbar. Er ließ sich einfach durch nichts aus der Ruhe bringen, behielt stets den Überblick.
Nach ihrem vierten Glas Wein begann das Kätzchen zu schnurren, wie das Tier, dessen Namen sie sich geborgt hatte. Das alleine wäre noch nicht beunruhigend gewesen, hätte sie nicht außerdem angefangen, Maxim gegenüber anzüglich zu werden. Ihr offensichtliches sexuelles Interesse versetzte ihn in Angst und Schrecken. Das Kätzchen war ein gewaltiges Pfund von Weib. Nicht gerade die Art Frau, die man ungestraft vor den Kopf stoßen konnte.
„Komm schon, Maxim, du kleiner Schnuckel. Entspann dich mal“, drängte sie ihn butterweich und strich ihm verspielt mit dem Zeigefinger über den Arm – offenbar nicht mehr ganz Herrin ihrer Sinne. Maxim war Rufus unendlich dankbar, als er ihn umgehend losschickte, um einen weit entfernten Tisch mit Getränken zu versorgen.
„Lass dir ruhig Zeit“, zwinkerte er ihm zu, und Maxim machte sich begeistert auf den Weg. Er wäre auch zum bleichen Vollmond hinauf gelaufen. Alles, um den Klauen dieses unheimlichen Schmusekätzchens zu entkommen. Rufus’ Worten folgend, gönnte er sich nach Auftragserfüllung eine kleine Pause, und lehnte sich erschöpft in der Einbuchtung neben der Kellertreppe an die Steinwand.
Der Gedanke, dass es erst wenige Monate her war, dass er zum ersten Mal dieses Gewölbe betreten hatte, erschien ihm absurd. Maxim fühlte sich mit allem hier so tief verwurzelt, dass er sich ein Leben anderswo nicht einmal mehr vorstellen konnte. Und ganz so, als ob der Vollmond die Zeit für Momente zurückgedreht hätte, entdeckte er wieder seinen frechen Faun in der Menge. Monroe war von draußen zurückgekehrt. Der Streit zwischen den Revoschizionären schien vergessen, die Stimmung war auf ihrem Höhepunkt. Aber heute, da er die Namen und Geschichten vieler Anwesender kannte, sah Maxim die Szene mit ganz anderen Augen. Es war, als könnte er, für einen Augenblicksbruchteil nur, die Zukunft sehen. Leere, Stille und seine Freunde und sich verstreut in alle Winde, vom Sturm der Zeit wie Sand verweht.
Just in diesem Moment gellte ein weiblicher Schreckensschrei durch das Kellergewölbe. Maxim fühlte, wie ein Ruck ihn durchfuhr, der ihn in die Wirklichkeit zurückriss. Wie ausrollende Meereswellen ebbten alle Gespräche im Raum ab, bis angespannte Stille eintrat. Wenige Meter von Maxim entfernt hatte sich eine dichte Menschentraube gebildet. Sie tuschelten leise untereinander. Manche wirkten bestürzt, andere lediglich neugierig. Ein Mädchen hatte Rufus herbeigeholt und gemeinsam kämpften sie sich durch die sensationslüsterne Zuschauerschar zum Zentrum durch.
„Er ist einfach
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