Café der Nacht (German Edition)
jung.
„Wird er es schaffen?“, flüsterte Maxim heiser.
Rufus nickte und lächelte vage. „Für dieses Mal, ja.“
„Denkst du etwa, er wird so weitermachen, wie zuvor?“, fragte Maxim entgeistert.
Der andere drehte sich langsam zu ihm um, die Arme vor der Brust verschränkt. Seine Miene verriet keinerlei Gemütsregung. „Ich fürchte, das hat er bisher immer getan.“
„Du hast das schon mal mitgemacht?“
Rufus seufzte leicht. „Maxim, wenn jemand sich unbedingt selbst zerstören will, kann man dagegen nicht viel tun.“
„Aber das war nicht geplant. Ich bin sicher, das ist keine Absicht gewesen!“
„Nein, das sicher nicht. Nicht bewusst. Aber er weiß ganz genau, dass er mit dem Feuer spielt.“
Maxim nickte, und sie schwiegen eine lange Weile. „Warum wolltest du keinen Arzt rufen?“
Rufus sah ihn an, dann zuckte er die Achseln. „Ein Versprechen. Eins, das ich nie hätte geben sollen.“
„Du müsstest es nicht halten.“
„Aber ich kann.“
Maxim schwieg. Der fehlende Schlaf saß ihm heißkalt in den Gliedern. Jetzt, da er wusste, dass Monroe außer Gefahr war, bemerkte er erst, wie erledigt er wirklich war. Seine Arme schmerzten und schienen unendlich schwer, fast taub zu sein. Er lehnte seinen Kopf gegen die kalte Wand und spürte die Feuchtigkeit seiner verschwitzten Haare, die an seine Kopfhaut gepresst wurden. Obwohl er die Schüssel stets umgehend ausgeleert hatte, stank es im Raum nach Magensäure und Erbrochenem.
Er hätte wütend auf Monroe sein sollen, weil er ein solcher Dummkopf war. Weil sie diese Horrornacht nur wegen seiner Unbelehrbarkeit hatten durchstehen müssen. In Wahrheit aber war Maxim zu froh, dass er diese Höllentortur überlebt hatte, um irgendetwas zu empfinden, außer dumpfer Dankbarkeit.
Rufus schloss das Fenster kurz, um es zu kippen, und wandte sich dann zu ihm um. „Geh ins Bett, ruh dich aus, Maxim. Das hast du dir mehr als verdient.“ Hochachtung stand in seinen Augen. Dabei war Maxim sicher, dass Rufus allein hier Hochachtung verdiente. Zweifellos hatte er Monroe das Leben gerettet. Ihn überkam das Gefühl, in der letzten Nacht um ganze Jahre gealtert zu sein. Er blickte Rufus in die Augen und nickte. „Gleich. Geh du ruhig schon vor. Ich bleibe noch einen kleinen Moment.“
Rufus lächelte und wandte sich zum Gehen. Er war schon fast an der Tür, als Maxim unvermittelt ein Gedanke kam. „Also wer ist Lola?“
Rufus hielt inne und blickte zurück. „Monroes Mutter hieß Lola.“
„Seine Mutter ... Lebt sie nicht mehr?“
„Sie ist schon lange tot.“
„Was weißt du über sie?“
Der andere zögerte. „Das sollte er dir lieber selbst erzählen.“
„Das macht er nie im Leben.“
Rufus lächelte. Plötzlich sah er sehr müde aus.
„Schlimm?“, fragte Maxim leise. Ihre Augen begegneten sich. Rufus verstand, dass er ihn nicht zu schonen brauchte. Er nickte einfach, sein Gesicht sehr ernst. Dann verließ er lautlos den Raum.
Schweigend betrachtete Maxim Monroes Gesichtszüge und genoss die tiefe Stille im Zimmer, in der das einzige Geräusch der gleichmäßige, ruhige Atem des Schlafenden war.
Maxim dachte an seinen ersten Abend im Café zurück, daran, wie sehr ihn Monroes ungehobelte Art erschreckt hatte, und musste über sich selber lächeln. Es schien, als seien seit damals Jahre vergangen. Die Villa und sein altes Leben wirkten unendlich fern, vergilbte Postkarten, auf denen man die Schrift kaum noch entziffern konnte. Wie es Rufus zuvor getan hatte, strich nun auch er behutsam einige Haarsträhnen aus der Stirn des Menschen, dessen seltsame zwei Persönlichkeiten klammheimlich zu einem so wichtigen Bestandteil seines Lebens geworden waren. „Du Löwenherz.“
Ihm war, als ob Monroes Augäpfel unter den Lidern, den dunklen Wimpern, bei seinen Worten leicht, minimal zuckten. Die Angst um ihn, die Maxim die ganze Nacht hindurch begleitet hatte, saß ihm noch tief in den Knochen. Sein Mund öffnete sich zu einem schier endlosen Gähnen. Die Augenlider wurden ihm schwer, er konnte sie kaum noch offen halten. Er hatte fest vor, gleich aufzustehen und rüber in sein eigenes Zimmer zu gehen. Doch er kam nicht mehr dazu. Er schlief an Ort und Stelle ein.
Kuppelversuche
Als Maxim erwachte, war es bereits Mittag, und sein Nacken war so steif und schmerzhaft verspannt wie nie zuvor. Kein Wunder, hatte er doch im Sitzen geschlafen. Für einen Moment war er so benommen, dass er nicht wusste, wo er sich befand, doch die
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