Café der Nacht (German Edition)
Erinnerung an die vergangene Nacht kam schnell zurück.
Als er auf die Stelle blickte, auf der Monroe hätte liegen müssen, war er schlagartig hellwach. Sein Platz auf dem zerknitterten Laken war leer. War etwas Schlimmes mit ihm geschehen, während Maxim wie ein Stein geschlafen hatte?
Sein aufgewühlter Magen beruhigte sich nur leicht, als er bemerkte, dass er von einer freundlichen Seele sorgsam zugedeckt worden war. In einem Notfall hätte dafür wohl niemand Zeit gehabt. Langsam schälte er sich aus dem zerwühlten Bett und kam ächzend und stöhnend auf die Beine. Das Fenster war noch immer gekippt, draußen strahlender Sonnenschein. Es erschien ihm seltsam surreal und unpassend, ein so schöner Sommertag nach der Schwärze dieser Nacht.
Übe r dem Flur lag eine eigenartige Stimmung, gedämpft wie an einem Feiertag. Er konnte leise Stimmen hören, die aus Donnas Zimmer drangen, die Tür war angelehnt. Anscheinend hatten sich seine Mitbewohner dort versammelt. Während Maxim noch überlegte, ob er anklopfen sollte, trat Nona mit einer Teekanne aus der Küche. Sie sah blass und übernächtig aus. Als sie ihn sah, kam sie wortlos zu ihm und nahm ihn fest in den Arm. Die Kanne, die sie noch immer hielt, verströmte wohltuende Wärme an seinem Rücken.
Die ganze grauenvolle Nacht über hatte Maxim geglaubt, gemeinsam mit Rufus der Einzige zu sein, der um Monroe bangte. Jetzt wurde ihm schlagartig klar, dass das nicht stimmte. Erst durch den Unglücksfall zeigte sich, wie fest der kleine Kreis der Cafébewohner im Notfall zusammenhalten konnte, wie sehr doch jeder am anderen hing. Er löste sich von Nona und sah sie fragend an. „Ist er ...“
„Es geht ihm gut.“ Sie lächelte, als sie die tiefe Erleichterung in seinem Gesicht sah, und verwuschelte ihm liebevoll das Haar. „Nicht zuletzt wegen deiner Hilfe.“
„Nein, wirklich. Rufus hat alles gemacht. Ich war nur dabei.“
„Keine falsche Bescheidenheit!“ Bevor er etwas erwidern konnte, hatte sie ihn beim Arm genommen und entführte ihn in Donnas dunkles Reich, das heute erstaunlich heimelig wirkte. Man hatte Kerzen angezündet, reichte Kekse herum. Auf dem Boden, auf dem Bett, wo immer ein Platz frei war, saß jemand. Jeudi und Anders waren da, Cosmo, Apollonia, außerdem Merlyn, Donna, Kiki, Rufus und das Kätzchen. Maxim wurde freudig begrüßt und eifrig hereingewinkt. Rufus nickte ihm freundlich zu. Er hatte das Gefühl, dass er über Nacht endlich wirklich einer der ihren geworden war. Dann entdeckte er Monroe, der neben Merlyn in der hintersten Ecke des Bettes hockte, fast versunken in dem großen Plaid, den jemand fest um ihn gelegt hatte. Er hielt eine Schale dampfenden Tees in den Händen, in die Nona sogleich noch etwas nachgoss, bevor sie unter den anderen die Runde machte, die ihr leere Becher entgegenstreckten. Monroe wirkte noch immer benommen, kaum anwesend, und sah mehr aus wie ein Zombie, als ein Lebender. Inmitten dieser herzlichen Gemeinschaft wirkte er seltsam verloren, isoliert. Aber er schien definitiv über den Berg zu sein, und das reichte Maxim fürs Erste zur Zufriedenheit. Schnell wurde ein Platz für ihn freigemacht und er ließ sich mit dem anheimelnden Gefühl nieder, willkommener Teil dieser verrückten, liebenswerten Familie zu sein. Es war genau das, was er jetzt brauchte.
Auch in den folgenden Tagen, während er sich langsam erholte, schien es ausgemachte Sache zu sein, dass Monroe, ob ihm das nun passte, oder nicht, nie allein gelassen wurde. Maxim war beglückt über den gestärkten Zusammenhalt, der die Pensionsbewohner veranlasste, sich auf einmal mehr füreinander zu interessieren, und sich um einander zu kümmern. Vielleicht hatte Monroes glimpflich verlaufenes Rendezvous mit dem Tod letztlich etwas Gutes bewirkt. Wie er selbst über die ganze Sache dachte, wusste Maxim nicht. Nicht einmal, ob ihm klar war, welch unverschämtes Glück er gehabt hatte. Erachtete er es überhaupt als Glück, gerettet worden zu sein? Nach dem, was Rufus ihm anvertraut hatte, war Maxim sich da nicht ganz sicher. Es war ein beunruhigender Gedanke.
Es vergingen drei Tage, bevor Maxim Gelegenheit hatte, Monroe alleine zu sprechen. Am Nachmittag saß er im bleichen Licht, das das staubige Küchenfenster hereinstreute und las in der Zeitung vom vergangenen Freitag. Maxim kam hinzu, um sich aus dem Kühlschrank etwas zu Trinken zu holen. Er lehnte sich gegen die Spüle und trank durstig in großen Zügen. Als das Glas leer war,
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