Café der Nacht (German Edition)
in der Stimme.
„Herr Meinig, was soll denn das? Sie können doch nicht einfach wegfahren! Wie soll ich Ihre Termine absagen, wenn ich nicht einmal weiß, wann Sie zurück sein werden? Was soll das alles überhaupt?“
„Jetzt beruhigen Sie sich erst mal, Adele. Tief durchatmen.“
„Sie haben gut reden.“
„Es ist alles in Ordnung, es geht mir gut. Sie werden es nicht glauben, aber ich bin im Café der Nacht.“
Adeles Gedanken rotierten. „Wie meinen Sie das?“ Ihres Wissens hatte das legendäre Café vor über zwanzig Jahren geschlossen. Herr Meinig redete schon lange nicht mehr darüber, doch einst hatte er es getan.
„Ich habe einen Brief von Dela erhalten. Dela Morgan, Sie erinnern sich? Natürlich erinnern Sie sich, Sie vergessen ja nie etwas. Offenbar wollte sie, dass ich hierher komme, aus welchen Gründen auch immer.“
„Das klingt mehr als eigenartig, Herr Meinig.“
„Ich weiß.“ Sie hörte ihn leise seufzen. „Aber ich werde erst einmal hier bleiben.“
„Für wie lange genau? Sind Sie vor Madrid zurück?“
„Ich weiß es nicht, Adele. Im Moment weiß ich so gut wie gar nichts.“
Jetzt machte sie sich wirklich Sorgen. Das klang so gar nicht nach ihrem Chef. „Geben Sie mir die Adresse, ich werde zu Ihnen fahren“, forderte sie kurz entschlossen.
„Nein, Sie halten zuhause die Stellung. Ich melde mich bald wieder bei Ihnen.“
Adele zögerte, erhob aber keinen Einspruch. Eine kurze Pause folgte. „Das hat doch nichts mit ihm zu tun?“, fragte sie schließlich leise.
„Adele ...“
„Die Toten soll man ruhen lassen, Herr Meinig.“
„Da stimme ich Ihnen zu. Aber was soll man mit Geistern anfangen?“, bemerkte er nachdenklich. „Ich glaube, es ist richtig, hier zu sein. Ich weiß nicht genau, warum, aber es ist wichtig für mich. Sehr wichtig.“
* * *
Maxims letzte feste Beziehung lag etwas mehr als zwei Jahre zurück. Dabei war er sich noch immer nicht ganz sicher, ob es tatsächlich eine feste Beziehung gewesen war. Er hatte Gero kennengelernt, als dieser so wutentbrannt sein Büro gestürmt hatte, dass man hätte meinen können, Furien wären hereingebraust. Maxim hatte das neue Theaterstück des selbsternannten Genies tags zuvor so gründlich in der Luft zerrissen, dass man fast immer noch Fetzen herumflattern hören konnte. Er war ein fairer Kritiker, der sich gut mit verletzlichen Künstlerseelchen auskannte, doch er scheute sich nicht, harte Worte zu verwenden, wo sie angebracht waren. Und sie waren äußerst angebracht gewesen. Gero Seidenspinners Figuren waren eindimensional, die emotionalen Konflikte kaum nachvollziehbar und die Dialoge, gelinde gesagt, eine Beleidigung des Intellekts jedes Über-Fünfjährigen. Der Autor war da jedoch, nicht allzu überraschenderweise, vollkommen anderer Ansicht. Maxim, der bereits Erfahrung mit derartigen Situationen hatte, ließ ihn sich etwa eine Viertelstunde lang in aller Ruhe echauffieren, und lud ihn dann zum Mittagessen ein. Erst viel später gestand ihm Gero, dass er schon mit ihm hatte schlafen wollen, als er ihn zum ersten Mal im Fernsehen gesehen hatte, und dass ihn die schlechte Kritik im Grunde wenig juckte. Daraufhin hatte Maxim ihm geraten, doch aufs Schauspielhandwerk umzuschulen.
Die Beziehung hatte ungefähr sechs Monate gehalten, was effektiv höchstens die Hälfte dieses Zeitraums bedeutete, da Maxim Gero durch seine vielen Reisen nicht oft sah. Er hatte nur wenige Tage gebraucht, um festzustellen, dass Gero viel zu unreif, flatterhaft und gedankenlos für ihn war, und den Rest der gemeinsamen Zeit, um sich dazu durchzuringen, ihm das auch tatsächlich ins Gesicht zu sagen. Maxim war nicht besonders gut in Beziehungen, und sich dessen vollauf bewusst. Er neigte dazu, den Dingen einfach ihren Lauf zu lassen und ergriff kaum je die Initiative. Zwar hegte er nicht den festen Wunsch, alleine zu sein, doch er war auch nicht wirklich auf der Suche nach einem Partner fürs Leben. „Sie müssen Ihre Ansprüche runterschrauben. Und vor allem müssen Sie aufhören, jeden Mann mit ihm zu vergleichen“, hatte ihm Adele schon mehrmals eindringlich geraten. „Sonst wird das doch nie etwas.“ Da hatte sie möglicherweise recht. Adele bezeichnete Monroe stets nur als „ihn“ , als fürchtete sie, mit dem Aussprechen seines Namens den Teufel herbeizurufen. Doch wenn Maxim je etwas von ihm gelernt hatte, dann war es, dass man das, woran man aus tiefstem Herzen glaubt, für nichts und niemanden
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