Café der Nacht (German Edition)
durch. Als er Maxim wieder anblickte, war er gefasst und abweisend. „Das geht nur ihn und mich was an, klar?“
„Schon gut. Ich habe es ja niemandem erzählt.“
Monroe starrte auf seine Schuhspitzen und strich sich mit den Händen über die Oberschenkel, als sei er seltsam nervös. Er warf Maxim einen flüchtigen Blick zu. Seine Stimme klang rau. „Was immer du zu wissen glaubst ...“
„Hör zu, du bist mir keine Rechenschaft schuldig.“
Monroes Augen funkelten. „Wäre ja auch noch schöner!“
Sie starrten einander für einen Moment an. In Maxims Magengrube flatterte es. Er wagte es kaum, seine nächste Frage zu stellen. „Aber das zwischen ihm und Vida ... ist das vorbei?“
„Tot und begraben“, murmelte Monroe dunkel.
Maxim nickte langsam. Er glaubte, nun endlich zu verstehen. Vielleicht hatte sich Ariel damals von Monroe getrennt und er konnte ihm das nach wie vor nicht verzeihen. Vielleicht liebte er Ariel insgeheim immer noch. Genauso musste es sein. Es war das Einzige, was Sinn ergab, was Monroes seltsame Veränderung und sein Verhalten erklären würde. Wieso war ihm das nicht früher klar geworden? Maxim fühlte sich, als hätte ihm jemand einen dumpfen Schlag in den Bauch versetzt, der ihm die Luft raubte. All seine widersinnigen, verrückten Hoffnungen schienen auf einen Schlag zerstört. Ihm war, als sei alle Lebenskraft aus ihm gewichen.
„Was ist?“, fragte Monroe, ihn musternd.
„Gar nichts.“ Maxim konnte ihn nicht anblicken, als er sich erhob und langsam zum Haus zurückging. „Nichts, was dich interessieren würde.“
Er merkte nicht, dass Monroe ihm verständnislos nachsah, und dabei unerwartet besorgt wirkte. Monroe seufzte tief, doch da war Maxim längst im Café verschwunden.
* * *
Wie von niemandem im Café bezweifelt, wurde die Vernissage ein voller Erfolg. Die Freunde ließen mit verstecktem Gähnen die zähe Laudatio eines bedeutenden Kunstkritikers über sich ergehen. „Das übersteht man nur mit sehr viel Alkohol“, wisperte Merlyn und schnappte sich sein drittes Glas Champagner vom Tablett. Der Laudator suhlte sich, fast bis zu Adam und Eva ausschweifend, in Fachausdrücken, Fremdwörtern und Kenneranspielungen, und lachte dabei hüstelnd über seine eigenen humorlosen Witze. Unter seinen Zuhörern tat man es ihm gleich, um nicht gänzlich ungebildet zu wirken. Hin und wieder kam ein leises, belustigt-schnaubendes Geräusch von Monroe, der hinter ihnen stand.
„Ja nun, wenn wir hierbei unser Augenmerk auf die Transzendenz des gemeinen Pferdeapfels richten ...“, ahmte Caspar näselnd den Redner nach,
„ ... dann finden wir zweifelsohne, wie schon Caligula zu sagen pflegte: Nachts ist es kälter als draußen“, beendete Anders im selben Ton.
Jeudi bekam einen scheinbaren Hustenanfall. Die Laudatio fand glücklich ihr Ende, begleitet von kräftigem Beifall, in dem sich vor allem die Begeisterung der Zuhörer ausdrückte, das Prozedere tatsächlich überstanden zu haben.
Unter den nunherumschreitenden und plaudernden Gästen entdeckte Maxim niemand geringeren als Gloria Wallerhoven. Die sportlich-dynamische Galeristin spürte Ariel zielsicher auf. Minutenlang redete sie angeregt auf ihn ein und hielt ihm schließlich ihre Karte hin. Unwillkürlich sah Maxim sich um und entdeckte Monroe, der die Szene ebenfalls beobachtet hatte, mit düster-tiefem Stirnrunzeln. Als Ariel die Karte nickend an sich nahm, drehte Monroe sich um und verließ schnurstracks die Ausstellung. Maxim sah ihm unbehaglich nach. Eigentlich hätte er sich wohl für Ariel freuen müssen, über die unglaubliche Chance, die sich durch die Wallerhoven bot. Sie war eine wichtige Persönlichkeit auf dem europäischen Kunstmarkt. Doch Monroes bändesprechender Abgang ließ ihn mit Sorge zurück.
* * *
Als Neumünchner durfte Maxim selbstverständlich, worauf Florentine am Telefon bestanden hatte, die Wiesn nicht verpassen. Es war bereits das vierte Mal, dass sie etwas gemeinsam unternahmen. Nachdem sie vor Kurzem im Café der Nacht vorbeigeschaut hatte, um ihm, wie versprochen, eine Feile hereinzuschmuggeln, die sie tatsächlich dabeihatte, hatten sie beschlossen, dass es schön wäre, sich öfters zu sehen. Schon am nächsten freien Abend waren sie essen gegangen und danach ins Kino. Leander war leider verhindert. Es war ein schöner Abend, so wie ihn normale Menschen seines Alters verbrachten, die nicht aufgewachsen waren wie er, und nicht in einem Künstlerhaus lebten,
Weitere Kostenlose Bücher