Café der Nacht (German Edition)
rieb konzentriert einen Rest von dezentem Lidschatten weg.
„Deshalb? Deshalb kommst du zu spät?“, regte sich Kristians prompt auf und wurde zornrot. „Wegen dieser blöden Vida-Scheiße?“
„Was hast du gesagt?“ Monroe war schon halb aufgesprungen, als ihn vereint mehrere Hände beschwichtigend zurück auf den Sitz drückten.
„Mach dich fertig. Dafür ist keine Zeit.“
„Genau. Ihr könnt euch später prügeln“, tröstete Toblerone. „Wir werden euch auch nicht aufhalten. Dann könnt ihr euch in aller Ruhe totschlagen. Na, wie klingt das?“
„Wunderbar“, zischte Kristians.
Wieder machte Monroe eine ruckartige Bewegung, und der andere zuckte unwillkürlich zurück.
„Mon dieu, mit euch macht man was mit.“
Der Inspizient streckte seinen Kopf zur Tür herein. „Fünf Minuten. Monroe hier? Ja?“
„Seine Durchlaucht hat sich zu uns bequemt.“
„Großartig! Prima! Dann kann der Vogel ja fliegen!“
„Solang er dabei keinem auf den Kopf kackt.“ Monroe grinste und hielt unbeeindruckt den bohrenden Blick, mit dem Kristians ihn ansah. Dessen Augen verengten sich.
Kristians lehnte mit verschränkten Armen neben ihm am Tisch und sah auf den Anführer der Revoschizionäre herab, dessen Thron bereits gewaltig wackelte. Noch immer lag greifbare Anspannung und Gereiztheit über der Szene, drückend, bohrend.
„Oh, am Ende ist ganz sicher einer angeschissen, Monroe. Die Frage ist bloß, wer von uns.“
* * *
Zeiten mit endlosen Regenschauern. Sie kleisterten die fallenden, bunten Blätter der Kastanie auf das Kopfsteinpflaster. Verwelkte Reste der stacheligen Kastanienschalen steckten zwischen den Steinen. Ihre schimmernden Früchte hatten längst Kinder aufgesammelt. In Regenzeiten war das Kaffeehaus tagtäglich gut besucht. Maxim saß in seiner Nische im Kellergewölbe und durchblätterte ein Kunstmagazin, in dem sich ein neuer Artikel über Ariel fand. Hoch oben hinter den Kellerfensterschlitzen prasselten anheimelnd Regentropfen hernieder. Der große Raum roch nach herbem Zigarettenrauch. Auf der kleinen Bühne probten hochkonzentriert die Varietékünstler, schon fast erreichte Perfektion. Es würde nicht mehr lange dauern, bis die Hummel wiederhergestellt sein würde, um dem Publikum die Pforten zu öffnen. Hummelig strahlte selig über sein kohlrundes Gesicht, wenn er sich ausmalte, wie nach dem Umbau alles größer und schöner sein würde als zuvor. Maxim freute sich gespannt darauf. In der großen Nachbarnische gaben die Revoschizionäre ihrem Theaterstück den letzten Schliff. Monroe hielt sich weitgehend aus den hitzigen Diskussionen raus, die teilweise um ein einziges banales Wort geführt wurden. Er wirkte geistesabwesend, regelrecht gelangweilt. Maxim sah auf, als es laut wurde am Nebentisch.
„Dann geh! Wenn es dir nicht passt, dann hau eben ab! Wir haben alle genug von deinen Kapriolen! Niemand braucht dich hier!“ Es war Kristians, der Monroe so unverhohlen angriff.
Eigenartig, fremd, alarmierend an der Situation war, dass zum ersten Mal keiner der anderen widersprach oder beschwichtigte. Es roch nach Meuterei mit Brutusdolchen. Etliche Köpfe auf der anderen Seite des Raumes wandten sich neugierig der Gruppe zu. Man wusste, wenn Monroe beteiligt war, gab es immer etwas zu sehen. Doch nicht so heute.
Ein kleines Lächeln huschte wie ein Schatten über Monroes Gesicht. Er warf die Blätter, die er in der Hand hielt, auf den niedrigen Tisch. „Also gut.“
Für einen Moment war es vollkommen still, als ihn seine Truppe baff anblickte. Sie vermuteten einen Scherz. Doch Monroe stand auf und machte kampflos Anstalten, das Gewölbe zu verlassen. Die Revoschizionäre sahen aus, wie vom Donner gerührt. Toblerone grinste unsicher. Keiner sagte ein Wort.
Maxims Herz klopfte wild. Er konnte nicht fassen, dass keiner versuchte, Monroe aufzuhalten. Es war das Feigste, Erbärmlichste, das er je gesehen hatte. Er wusste genau, was sie dachten. Das war nicht mehr ihr alter, scharfer Rädelsführer, der im Kaleidoskop die Bühne dominierte. Er wirkte zunehmend desinteressiert, seit er sein Doppelleben mit Vida wieder aufgenommen hatte. Manchmal müde, nahezu ausgebrannt. Möglicherweise hatte Nona damals doch recht gehabt. In Kombination mit Ariel schien Vida eine unheilvolle Wirkung auf ihn zu entwickeln. Gelegentlich konnte man meinen, er hätte seinen Schneid, seinen alten Biss verloren. Vielleicht für immer? Und nun fragte sich die Kabarett-Truppe in diesem bösen,
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