Café der Nacht (German Edition)
verlockenden Moment ernsthaft, ob es nicht vielleicht wirklich das Beste wäre, wenn er ginge. Wenn er jetzt einfach ginge, und niemand ihn aufhielte.
„Spinnt ihr?“ Als Maxims Stimme durch die Stille brach, blieb Monroe stehen. Aller Augen fixierten ihn nun. Maxim konnte fühlen, wie ihm die Röte ins Gesicht schoss. Doch er konnte nicht schweigen, musste sich einmischen. Diesmal musste er es einfach tun. Er stand auf und ging zum Tisch, an dem sie saßen, hinüber. Die Truppe blickte ihn unverwandt an.
„Ihr wollt ihn wirklich ziehen lassen? Seid ihr noch bei Trost? Was ist bloß los mit euch?“
Sie starrten ihn an, trotzig und abweisend wie getadelte Schulkinder.
„Ohne ihn gäbe es eure Truppe überhaupt nicht! Ohne ihn hättet ihr nie solchen Erfolg gehabt! Und so behandelt ihr ihn, nach allem, was er für euch getan hat?“ Er schnaubte leise. „Ihr seid echt das Letzte.“
Stille folgte; nervös, angespannt, kauernd. Dann erhob sich Kristians langsam und bewegte sich auf Maxim zu. Es war klar, dass er die Gelegenheit nicht verstreichen lassen würde, all seinen aufgestauten Frust doch noch an den Mann zu bringen.
„Wer hat dich gefragt, du Bar-Clown? Das geht dich einen Dreck an! Du hast dir kein Urteil über uns zu erlauben. Alles, was du draufhast, ist schließlich Flaschen auf- und zudrehen!“ Kristians spie ihm Verachtung entgegen, wie er sie kaum provoziert haben konnte. „Du kleine Lusche, du bist so peinlich, lächerlich und du merkst es nicht einmal!“
Alles, was Maxim sah, war aus dem Augenwinkel eine blitzschnelle, verwischte Bewegung. Er hörte einen überraschten Schmerzenslaut; Kristians strauchelte, rumpelte gegen den Tisch, und ging zu Boden. Monroe stand an seiner Seite, die Hand noch zur Faust geballt.
Die anderen Revoschizionäre sprangen auf. Unter dem Gejohle der Varietékünstler auf der Bühne brach schlagartig das Chaos aus. Eine Hand griff Maxim am Arm und ehe er’s sich versah, rannte er neben Monroe die Treppe hinauf, so schnell es ihm möglich war. Bloß weg, bloß raus aus dem Keller, bevor die aufgebrachte Horde sie noch massakrierte, durch den oberen Gastraum, durch die Haustür, und direkt in einen feuchten Regenschwall hinein. Tür zu mit lautem Knall. Gesegnete Stille. Im Haus keine lauten Schritte, die ihnen folgten.
Monroe sank gegen die Hauswand und schlug die Hände vors Gesicht. Seine Schultern zuckten. Maxim wollte ihm tröstend die Hand auf den Arm legen. Monroe sah ihn an, und da erst merkte Maxim, dass er nicht weinte, sondern lachte. Es war ein so befreites, ein so maßlos ansteckendes Lachen, dass es nach dem Verfliegen einer Schrecksekunde direkt auf ihn übersprang. Da standen sie nun im strömenden Regen und lachten völlig haltlos, und befreit. Sie konnten schlichtweg nicht aufhören, bis sie beide atemlos nach Luft schnappten. Sie sahen einander an. Nähe. Vor Übermut blitzend, wie schon lange nicht, wie zu neuem Leben erwacht, strahlten Maxim die grünen Augen an. Er schluckte. Bevor er wusste, wie ihm geschah, packte Monroe mit beiden Händen sein Gesicht, zog ihn heran und drückte ihm fest einen Kuss auf die Lippen. Maxims Herzschlag stockte. Die Zeit stand still. Als Monroe ihn freigab, schienen seine Knie gänzlich substanzlos geworden.
„Max“, Monroe grinste, und die Wärme in seinen Augen ging ihm durch und durch. „Du bist ein verdammt guter Freund. Der beste.“
Maxim war nicht in der Lage, etwas zu erwidern. Auf seinem Mund brannte unvermindert die Hitze von Monroes weichen Lippen. Sein Herz hämmerte wie wild.
„Los“, meinte der andere und nickte in Richtung Pizzeria am Ende der Straße. „Feiern wir!“
„ Geh du schon mal vor“, bekam Maxim heiser heraus. „Ich komme gleich nach.“
„Okay, wie du meinst.“ Monroe sah ihn noch einen Moment lang an, als wäre er sein neuer Held, dann zuckte er leichthin die Schultern und setzte sich gemächlich in Bewegung. Maxim sah ihm nach und ließ sich gegen die Hauswand sinken. Regen prasselte weich auf ihn herunter, es tropfte und plätscherte aus der Dachrinne über ihm, und es war ihm völlig egal. Er atmete bloß. Ein und aus, ein und aus. Feuereis loderte unter seiner Haut. Monroe hatte das nichts bedeutet, das wusste er. Es war nichts, war Freundschaft, war Temperament. War nichts als Überschwang gewesen. Aber für ihn hatte dieser Augenblick alles verändert. Nichts würde mehr so sein, wie zuvor.
Mephistopheles und die Liebe
Der Herbst, der so goldumrankt
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