Café Eden - Roman mit Rezepten
in ihrem eigenen Studio Gewichte. Aber es befriedigte sie nicht wirklich, weil sie ihr ganzes Leben lang gewinnen wollte. Golf oder Tennis konnte sie jedoch nicht spielen, weil sie von einem Unfall in ihrer Kindheit körperliche Einschränkungen zurückbehalten hatte. Nach 1960 setzte sie sich nie wieder auf ein Pferd.
In jenem Sommer war Liza so eifersüchtig auf ihren kleinen Bruder, der die Aufmerksamkeit der ganzen Familie auf sich zog, dass sie allen beweisen wollte, wie gut sie reiten konnte. Sie würde es Daddy und auch Ginny schon zeigen. Sie würde ihnen zeigen, dass sie die Beste war, besser als jeder Junge. Liza würde Cody, Ginny Doyles willensstarken Palomino-Hengst, reiten.
Nach ungefähr zehn Minuten warf Cody Liza ab.
Diese zehn Minuten jedoch waren die denkwürdigsten Minuten in ihrem Leben. Sie schenkten ihr mehr Ruhm, Freude und Entzücken als alles andere, was das Leben ihr später bot. Mehr sogar als ihre Liebhaber, ihre zwei Ehemänner, ihre Kinder. Diese zehn Minuten waren physisch intensiver als Sex oder die Geburten ihrer Kinder.
Nichts kam diesen zehn Minuten gleich, als sie sich an die Mähne des goldenen Palomino klammerte und die Landschaft in einem Rausch von Farben an ihr vorbeiflog. SchlieÃlich stieg Cody auf, und Liza stürzte zu Boden. Das Pferd galoppierte davon.
Sie brach sich den Knöchel, den Ellbogen und das Schlüsselbein. Monatelang musste sie in einem Gipsbett liegen und konnte noch nicht einmal die Treppe hinaufgehen. Sie stellten ihr Bett ins Esszimmer, neben das Modell von Greenwater. Alle hatten Mitleid mit ihr, und niemand, noch nicht einmal Ginny, schimpfte sie wegen ihres Leichtsinns aus.
Ginny besuchte sie jeden Tag; als Liza wieder laufen lernte, machte sie stundenlang Ãbungen mit ihr, brachte ihr bei, an Krücken zu gehen, und tröstete sie mit Geschichten von ihrer eigenen Genesung, wenn Liza weinte. Marinda kochte ihr alles, was sie essen wollte. Stella war ständig um sie herum und las ihr vor. Stellina schenkte ihr ihre Lieblingspuppe. Mom war unendlich liebevoll und aufmerksam, aber sie sagte auch, dass Liza ihre Lektion auf die schmerzhafte Art gelernt hatte. Liza wusste nicht ganz genau, worin diese Lektion bestand, und sie traute sich auch nicht zu fragen. Nur Daddy wirkte abwesend, und als er erfuhr, dass Liza wieder völlig gesund werden würde, besuchte er sie nur noch sporadisch. Manchmal brachte er auch ein Geschenk mit, aber das war es eigentlich nicht, was Liza wollte.
Eines Abends erwachte Liza von heftigem Schluchzen, das aus der Küche drang. Sie konnte nicht leise hinschleichen, um nachzuschauen, weil man ihr Gipsbein auf dem Holzboden gehört hätte. Deshalb blieb sie ganz still liegen und lauschte.
Es war ihr Vater, der schluchzte und stammelte. Aber auch die Stimme ihrer Mutter bebte, und sie fragte ständig: »Was haben sie gesagt? Was? Wann?«
So erfuhr Liza als Erste, dass die goldene Ãra des TV-Westerns vorüber war. Western liefen nicht mehr, und der Sender hatte The Lariat Lawman aus dem Programm genommen.
1964, vier Jahre, nachdem die Lokomotive im Triumphzug nach Greenwater geschafft worden war, kaufte die Eisenbahngesellschaft sie zurück. Matt March hatte sie zwar vor der Schrottpresse bewahrt, aber sie hatte nie mehr unter Dampf gestanden, nie mehr gepfiffen und war nie mehr auf Schienen gefahren. Als die Santa Fe die Lokomotive abholte, schaute niemand von Greenwater zu. Es gab keine Getränke, kein Essen, keine Reden und kein Fest.
TEIL III
Hegen und Pflegen 1962
1
N achdem The Lariat Lawman abgesetzt worden war, waren Eisenbahnen und Schienen auf einmal völlig uninteressant für Matt. Das Remake von Gold of the Yukon blieb unvollständig und folgte nur noch dem alten Rezept: zu gleichen Teilen Gier und Gefahr, gut gemischt mit Lust. Und dazu noch reichlich Schnee. Das Modell von Greenwater war abgebaut worden, und Matt hatte es an die Baxters verkauft. Der Esstisch war wieder frei geworden und konnte benutzt werden, als ob sich nichts verändert hätte. Aber es hatte sich doch etwas verändert. Die Ehe von Eden und Matt, ihre physische und emotionale Intimität schwanden, und Misstrauen und Vorwürfe gewannen die Oberhand. Matt wurde immer gereizter und brach immer häufiger einen Streit vom Zaun, um einen Grund zu haben, das Haus zu verlassen.
Er behauptete, er könne sich auf Greenwater nicht konzentrieren, weil es zu viele
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