Café Eden - Roman mit Rezepten
zum nächsten. Und schlieÃlich gab er es ganz auf und blieb zu Hause bei seiner Frau, die irgendwann begann, Tortillas mit Fleisch und Bohnen aus ihrer Küche zu verkaufen, sodass alle Welt an ihre Hintertür kam.
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I m Sommer 1946 wurde auf den Frauenseiten des Herald mit keinem Wort erwähnt, dass auf der jährlichen Wohltätigkeitsveranstaltung der methodistischen Ladiesâ League verdorbene Shrimps serviert worden waren. Und auch auf den Männerseiten, sprich im Rest der Zeitung, wurde nicht darüber berichtet.
Trotzdem wusste jeder, dass Krankenwagen vorgefahren waren, dass Miss Winifred Merton und etwa dreiÃig andere ehrenwerte Damen ins Krankenhaus gebracht worden waren, wo man ihnen lange Schläuche in die Nase schob und ihnen unter Würgen, Erbrechen und Tränen den Magen auspumpte. Miss Merton, die schon unter normalen Umständen dünn war, litt ganz besonders; Shrimps gehörten zu ihren Lieblingsspeisen. Ihr Arzt verordnete ihr eine zehntägige Bettruhe. Winifred Merton hatte erst ein einziges Mal in ihrem Leben auf der Arbeit gefehlt, als sie 1919 der Grippe erlegen war.
In diese Lücke stieà Eden Louise Douglass, furchtlos und verwegen.
Als die Leser des Herald am Montag die Zeitung aufschlugen, fanden sie ein langes Feature über Gloria Patterson, die zwar behindert, aber nicht zurückgeblieben war, und über einen jungen Mann, der lieber geheiratet hatte, als sich hängen zu lassen. Im Zacatecaâs bekam jeder Leser, der diesen Artikel mitbrachte, zehn Prozent Rabatt.
Die ganze Woche schrieb Eden Douglass ihre Geschichten über das Bojoâs, über die Nachfahren von Mr. Kee, die ein kleines Restaurant betrieben, das Red Dragon hieÃ. Sie lieferten das Rezept ihrer köstlichen Karotten-Ingwer-Suppe, das in der Zeitung abgedruckt wurde.
Eden veröffentlichte das Rezept von Sally Eppsâ Bis-nach-Memphis-berühmte-Barbecue-Sauce und erzählte die Geschichte von ihrem Treck von Arkansas nach Kalifornien, bei dem sie unter den Banken, schlechtem Wetter und Hunger litten. Die Familie Epps war vom Hunger getrieben worden, seit die ersten Epps 1848 aus Irland geflohen waren. Selbst Afton Lance musste dem Mut dieser Familie mürrisch Respekt zollen, als sie die Geschichte las. Und als sie ihre eigenen Rezepte und die Familiengeschichten, die Eden aufgeschrieben hatte, gedruckt sah, errötete sie vor Stolz, obwohl sie solche Gefühle leugnete.
Auf den Frauenseiten des Herald standen auf einmal Artikel über die ehemals florierende Gemeinde japanischer Gemüsehändler. Eden hatte Mr. Yamashita ausfindig gemacht, der seinen kleinen Laden nach dem Film Die grüne Göttin benannt hatte. Das Geschäft gab es schon lange nicht mehr, es war geschlossen worden, als Mr. Yamashita mit den anderen Japanern in St. Elmo bei Kriegsausbruch in ein Internierungslager hoch im Norden gekommen war. Manche waren zurückgekehrt, andere nicht. Mrs. Yamashita weigerte sich, mit Eden Douglass über Die grüne Göttin oder irgendetwas anderes zu sprechen.
Die ganze Woche klingelte ununterbrochen das Telefon auf Edens Schreibtisch, aber sie ging nicht dran. Sie wusste, dass es Miss Merton war. Bettlägerig zwar, aber nicht hinfällig.
Miss Merton rief auch Victor Levy an und erinnerte ihn in scharfen Worten an seine Pflicht als Chefredakteur. Sie verlangte von ihm, Eden Douglass unverzüglich zu entlassen. Aber Victor weigerte sich. Seine Frau hatte ihm erklärt, die Angelegenheit ginge nur Winifred Merton und Eden Douglass an, und am Ende würde er eine von beiden los sein. Das leuchtete Victor ein.
Am Freitagnachmittag betrat Winifred Merton dünner und grimmiger denn je die Redaktion des Herald. Sie kam aus dem Aufzug, und während sie langsam durch den riesigen Saal schritt, schwiegen alle Schreibmaschinen. Da Eden nicht sehen konnte, was in der Redaktion vor sich ging, tippte sie eifrig weiter, und schlieÃlich klapperte nur noch ihre Schreibmaschine. Leise Angst stieg in ihr auf. Sie dachte an die Fliegerbomben im Krieg und zählte bis zehn.
Winifred Merton trat an ihren Schreibtisch, der Edens gegenüberstand. Sie berührte die Rose, die in ihrer Abwesenheit verwelkt war. »Sie halten sich bestimmt für besonders schlau«, begann sie. »Wie fortschrittlich Sie doch sind! Sie applaudieren der Küche von Negern, Mexikanern und Chinesen auf meinen Seiten, schreiben über Arkies und Japse
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