Café Luna: Verbotenes Glück
ließ sich ermattet in einem der weichen Sessel nieder. Wer hätte gedacht, dass das Laufenlernen einmal so anstrengend sein würde? Sie lehnte sich zurück und schloss einen Moment die Augen.
„Soll ich dir den Rollstuhl bringen, Liebste?“, murmelte da eine wohlbekannte Stimme dicht an ihrem Ohr. Eleonore schlug die Augen auf und warf Graf von Lüdow einen strafenden Blick zu. „Ich wäre dir dankbar für den Rollstuhl, Baudouin“, erklärte sie sachlich, „und dafür, dass du meine Privatsphäre respektierst und mir nicht derart naherückst.“ Sie schüttelte den Kopf. „Du riechst nach Alkohol.“
Keineswegs beleidigt, nickte er zustimmend und rückte, wie von Eleonore gewünscht, ein paar Zentimeter ab. „Gin, aber nur der beste“, erklärte er hochtrabend. „Etwas anderes trinken die Damen nicht.“
Eleonore verstand. Wie schon die ganze letzte Zeit hatte ihr alter Bekannter den Tag mit Frau von Seebergen und ihren Bridgedamen verbracht. Eleonore war durch Zufall ein paarmal Zeugin davon geworden, wie die Damen sich um den Grafen bemühten, und hatte sich sofort in eine andere Zeit versetzt gefühlt. Alles war so wie früher. Schon vor 50 Jahren hatte Baudouin sich auf das Bezirzen von Damen aller Altersstufen verstanden. Damals waren es die Mütter und Anstandsdamen der Mädchen gewesen, für die er sich interessiert hatte. Heutzutage waren es offensichtlich die älteren Semester, die ihn reizten.
„Graf?“, rief es da auch schon aus dem Kaminzimmer. „Leisten Sie uns bei einem Spielchen Gesellschaft?“
„Wenn man so leidenschaftlich nach meiner Person verlangt“, zwinkerte von Lüdow Eleonore zu und brachte ihr den Rollstuhl, „werde ich den Teufel tun und mich verstecken!“ Dann drehte er sich um und entgegnete in seinem schönsten Bass: „Aber natürlich, Teuerste, nichts könnte mich davon abhalten!“
Kopfschüttelnd sah Eleonore ihm hinterher. Frau von Seebergen wies auf den Platz neben sich, und der galante Graf setzte sich, nicht ohne seine Spielpartnerin mit einem formvollendeten Handkuss und einem geflüsterten Kompliment zu begrüßen. Frau von Seebergens Gesichtsfarbe wurde rosig wie die einer Debütantin. Eleonore runzelte die Stirn. Die Dame war Witwe, reich und nicht mehr die Jüngste. Ob Eleonore sie warnen sollte? Aber wie viele Jahre hatte sie von Lüdow nun nicht gesehen? Vielleicht hatte der alte Hallodri sich ja geändert. Und dass Herzklopfen und Verliebtheit nichts mit dem Alter zu tun hatte, nun, das wusste auch Eleonore Hansen.
4. KAPITEL
Ob sie einfach aufstehen sollte und gehen? Es würde auffallen, ohne Zweifel. Immerhin gab es hier nicht so etwas wie einen Gang durch den Zuschauerraum. Kein Wunder, gab es ja nicht mal etwas annähernd Ähnliches wie einen Zuschauerraum. Anna hatte eine ganze Weile nach Stefan gesucht, doch noch immer konnte sie ihn nicht mit hundertprozentiger Sicherheit ausmachen. Wie auch, alle Schauspieler sahen irgendwie gleich aus, sie trugen Ganzkörpernylonanzüge, einige ausgestopft, andere angemalt, wieder andere dagegen mit Haaren an den unvorteilhaftesten Stellen beklebt. Gerade schrien sich eine rot bekritzelte und eine am verlängerten Rücken behaarte Figur an. Moment – das war gar nicht der Rücken, oder? Anna wich vorsichtig Schritt für Schritt zurück. Wenn es in dieser Lautstärke weiterging, würde niemand die schwere, quietschende Eingangstür hören, über der das Notausgangszeichen prangte. Hier konnte sie jedenfalls nicht bleiben. Nur: Was sollte sie Stefan sagen? Er hatte sie sogar zur Premierenfeier eingeladen. Lauter Studenten, enthusiastische Theaterleute, die noch enthusiastischeren Organisatoren des Theaterfestivals und dazwischen sie? Nein, auf keinen Fall! Da, die Wand, jetzt noch drei Meter nach rechts! Vielleicht konnte sie, wenn sie sich wiedersahen, einfach behaupten, es sei ein Notfall gewesen, ihre Tochter habe in Schwierigkeiten gesteckt. Schließlich hatte sich Luisa auch wirklich nicht gut angehört. Und Anna war in der letzten Stunde fast ausschließlich damit beschäftigt gewesen, darüber nachzudenken, was wohl passiert sein mochte. Sobald sie zu Hause wäre, würde sie Luisa sofort anrufen. Vielleicht sollte sie sich doch endlich mal ein Handy anschaffen!
„Warst du nicht mit deiner Mutter verabredet?“, wollte Molly wissen, als sie mit zwei riesigen Pizzakartons bei Luisa ankam. In ihrer Tasche klimperten verdächtig einige Flaschen gegeneinander, die sofort befreit werden mussten! Luisa
Weitere Kostenlose Bücher