Cagot
Nach Rehoboth. Nach Namibia. So ist es doch? Oder?« David zuckte mit den Achseln. »Ja, schon.«
»Das liegt doch auf der Hand. Weil dieses Land für jemanden, der sich, wie Fischer, für Genetik interessiert, das reinste Paradies ist. Nirgendwo sonst auf der Welt gibt es eine größere genetische Vielfalt als in Afrika. Und hier in Namibia vielleicht noch einmal mehr als im restlichen Afrika. Von den Nama zu den Kapmalaien zu den reinrassigen Buren. Und ich habe von allen Blutproben. Von allen. Sogar von den Khoisan, den Buschmännern, Alfies Vorfahren! Sie sind sehr wichtig für die Fischer-Experimente. Dort vorn müssen wir abbiegen, an dem Weg dort.«
Die Wüste hatte sie sofort verschluckt. Der Geländewagen brummte durch ein ausgetrocknetes Becken, ein Vlei aus plattem Staub und Salz. Die Dünen waren hier nicht mehr so hoch.
»Aber zurück zu Fischer und was er hier wollte«, griff Angus den Gesprächsfaden wieder auf. »Fischer glaubte, dass die Buschmänner, rein wissenschaftlich betrachtet, eine eigene menschliche Spezies sind. Mit Sicherheit haben sie sich auf einzigartige Weise an die harten Lebensbedingungen in diesen trockenen Wüstengebieten angepasst. Sie sind sehr klein und behände, und sie haben alles, was man für das Leben hier braucht. Sie wurden von der Evolution sehr geschickt immer kleiner gemacht. Wie japanische Elektronik. Deshalb nenne ich sie immer die Sony-Buschmänner.«
»In welcher Hinsicht sind sie anders?«
»Die Buschmänner haben ganz spezielle Erbanlagen und eine eigene Physiognomie. Nehmt nur die … Steatopygie …«
»Die Steato… was?«
»Die riesigen Arschbacken, früher auch als Fettsteiß bezeichnet. Sie sind eine Form der Anpassung an menschenfeindliche klimatische Bedingungen und regelmäßige Hungersnöte. Vergleichbar mit einem Kamelhöcker. Außerdem haben die Frauen eine sogenannte >Hottentottenschürze<. Der große Eugeniker Francis Galton bezeichnete dieses Phänomen als eine Hypertrophie, also eine Vergrößerung der inneren Schamlippen. Was ziemlich fraglich ist. Er hat die Vaginen der Frauen mit einem Sextanten vermessen.«
»Soll das heißen«, fragte Amy mit bebender Stimme, »dass die Buschmannfrauen, die Hottentotten oder wie man sie sonst nennt, dass sie andersartige … Genitalien haben?«
»Ja. Haben sie. Andere Schamlippen. Sie sind vergrößert und leicht schief. Wären die Buschmänner, was weiß ich, Möwen, würde ein Systematiker sie wahrscheinlich einer eigenen Kategorie zuordnen. Einer Subspezies.« Angus lächelte im Rückspiegel über Davids bestürztes Gesicht. »Übrigens, ist es nicht eigenartig, dass Eugen Fischer, der größte Eugeniker nach Galton, ausgerechnet Eugen hieß? Das ist ungefähr so, als wäre Charles Darwin von seinen Eltern Evolute Darwin genannt worden.« Er machte eine Pause. »Nicht dass Fischer ein besonders konsequenter Rassist war. Nein, nein. Während seiner Zeit in Namibia freundete er sich mit den Kellermans an. Er hatte absolut nichts gegen sympathische, kultivierte, intelligente und reiche Juden in Johannesburg und Kapstadt - vor allem, wenn sie auch noch schöne jüdische Frauen hatten. Mit den Zulus hatte er es allerdings weniger. Okay, wo sind wir gerade?«
Angus blickte auf den Treibsand hinaus. Die Dünen waren inzwischen fast völlig verschwunden. Sie kamen in eine flachere, geringfügig grünere Landschaft; immer noch Wüste, aber mit dem einen oder anderen Kameldornbaum auf gelben Flächen unberührten Staubs. David sah auf die Uhr. Sie waren schon mehrere Stunden unterwegs und Hunderte von Kilometern durch Namibia gefahren, ohne einen einzigen Menschen gesehen zu haben.
»Am besten, wir fahren nach Aus. Und dann durch die Wüste nach Rosh.« Angus linste mit zusammengekniffenen Augen nach der Sonne. »Allerdings werden wir es nicht vor Einbruch der Dunkelheit nach Aus schaffen … ja, nimm den Weg dort, beim Ranchtor.« Er lehnte sich zurück. »Wo waren wir stehengeblieben? Ach ja, bei den Hottentotten. Die Hotties sind die sesshafte Variante der Buschmänner, der Khoisan. Jedenfalls hatten sie einige ziemlich ungewöhnliche Bräuche, und die fanden die ersten Wissenschaftler, die sich mit ihrer Kultur befassten, etwas gewöhnungsbedürftig. Dass zum Beispiel der Priester bei der Trauungszeremonie auf das frisch vermählte Paar uriniert, kam nicht besonders gut an. Und dass sie Heuschrecken anbeten. Und ständig Innereien essen. Oder dass den Buschmännern ein Hoden entfernt wurde, wenn sie
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