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Cagot

Cagot

Titel: Cagot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Knox
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heirateten. Wie soll man so was finden?« Er grinste wild. »Mit Letzterem habe ich Alfie immer … aufgezogen. Ich sagte, er solle doch mit einem Hoden nach Schottland kommen und dort mit mir leben. Als Monorch of the Glen sozusagen.«
    »Also, ich finde das überhaupt nicht witzig, Angus«, wies ihn Amy betreten zurecht. »Nicht?«
    »Deine rassistischen Bemerkungen kannst du dir wirklich sparen.«
    Sie zogen eine gewaltige Staubwolke hinter sich her, wie eine vom Wind getragene gelb-graue Brautschleppe.
    Angus’ Antwort kam wie aus der Pistole geschossen. »Ich bin kein Rassist und verabscheue jede Form von Rassismus zutiefst. Ich finde Rassismus nicht nur das Allerletzte, sondern vor allem unsäglich dumm. Es ist, als würde man Esel dafür hassen, dass sie keine Schafe sind. Außerdem … sind wir alle Kinder Gottes. Wir sind alle Brüder und Schwestern.«
    »Du glaubst an Gott?«, fragte David erstaunt.
    Der Wissenschaftler antwortete fast wütend.
    »Wie kann jemand nicht an Gott glauben? Vor allem an einem Ort wie diesem? Das ist die letzte und größte namibische Wüste. Die Sukkulenten Karoo. Sieh dir das doch mal an, höchstwahrscheinlich die trockenste Region der Welt, aber bewässert vom Nebel, der vom Meer hereintreibt - da. Seht euch diese verrückten Bäume an. Ein vollkommen anderes Ökosystem.«
    Er deutete auf ein dickes, plumpes, dorniges Bäumchen mit mächtigen Stacheln, das sich scharf gegen das wolkenlose Blau abhob.
    »Ein Köcherbaum. Fauna und Flora hier sind einzigartig: irre Kakteen, verrückte Käfer, tausend Jahre alte Bäume, die in Erdhöhlen wachsen. Auch Hyänen gibt es hier: eine extrem bösartige Subspezies, die Schabrackenhyäne, auch Strandwolf genannt. Hab in der Nähe von Lüderitz mal eine gesehen. Ich kann euch sagen, ich hab mir fast in die Hose gemacht vor Angst. Sie suchen die Strände nach Robbenbabys ab und fressen sie. Sehen aus wie Bilderbuchschurken.«
    David musste an Miguel denken. Der Wolf, der unnachsichtig Jagd auf sie machte.
    Angus redete immer weiter; er war nicht zu stoppen in seinem eifernden Monolog. »Genau das ist der Grund, warum ich gläubig bin. Seht euch doch nur um. Seht euch das an! Es ist kein Zufall, dass so viele Religionen in der Wüste entstanden sind. Und das hier ist die eindrucksvollste Wüste von allen. Seht euch diese Landschaft an!« Er deutete erregt auf die Wildnis. »Ich würde liebend gern mal eine Flugzeugladung Atheisten vom Flughafen in Lüderitz nur mit einer Packung Cashewnüsse in dieser Wüste aussetzen. In zehn Tagen wären sie entweder tot oder gläubig. Atheisten. Dass ich nicht lache. Das sind doch alles nur pubertäre Wichser.«
    David war baff. Angus Nairn überraschte ihn immer wieder von neuem. Jemanden wie ihn hatte er noch nie kennengelernt. Angus redete munter weiter.
    »Natürlich heißt das nicht, dass Gott dieser nette alte Herr mit einem mächtigen Rauschebart ist. Das ist er ganz sicher nicht. Das Universum ist durch und durch faschistisch. Es ist eine Tyrannei, eine wahnsinnige Diktatur. Stalins Terrorregime. Saddams Irak. Unser Leben ist bestimmt von Willkür und Angst. Oder liegen wir nachts etwa nicht manchmal wach und fragen uns: Wann wird mich der Tod holen? Ist es nicht so? Und dann verschwinden wir, einer nach dem anderen. Eines Tages kommt sie unweigerlich, die Todesgestapo, und man wird abgeführt und brutal gefoltert, mit Lungenkrebs, Herzversagen, Alzheimer und was es da noch alles für Schikanen gibt.« Fast redete Angus mit sich selbst. »Und die Leute tuscheln untereinander: >Hast du schon von dem und dem gehört? Er ist verschwunden. Spurlos verschwunden. Gestern Nacht haben sie ihn abgeholt …< Er schüttelte den Kopf. »Alphonse, dieser arme Kerl…«
    Der Wagen kämpfte sich weiter nach Süden vor. Jetzt verstummte Angus endlich. Völlig.
    David musste an seinen Großvater denken, an den am Himmel Arizonas kreisenden Adler. Die Sonora-Wüste war schön, aber Angus hatte recht: Die Sukkulenten Karoo war auf eine unheimliche Art noch beeindruckender. Das grüne und gelbe Buschmanngras, die bleichen Akazien, die rosafarbenen Säureöden, zernarbt von Bahnstrecken, die schon vor langer Zeit stillgelegt worden waren. Es war trostlos, aber faszinierend. Und die violetten und purpurnen Berge, die abrupt aufsteigenden Inselberge, sie schwebten über den dunstigen, ätherischen Sandflächen wie eine Erinnerung.
    Er schaute und fuhr und dachte an seinen Großvater. An die eigenartige schuldbewusste

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