Cagot
herum. Hinter ihm stand ein sympathisch aussehender Franzose in schicken Jeans und mit einem türkisen Kaschmirpulli über der Schulter; er deutete lächelnd auf das Telefon.
»Je voudrais telephoner.« Simon knurrte. »Verschwinden Sie.« Der Mann sah Simon an. Verdutzt. Simon knurrte noch einmal.
»Gehen Sie weg! Merci beaucoup, verdammte Scheiße noch mal!«
Der Franzose machte ein paar Schritte rückwärts, dann drehte er sich um und rannte davon. Das Telefon läutete. Simon hob ab.
»Okay…« Sandersons Ton war nüchtern, aber mitfühlend. »Ich wollte mich von CS Boateng nur noch auf den neuesten Stand bringen lassen.«
»Was genau hat sich alles getan?«
»Ich habe zusätzliche Leute zugeteilt bekommen, die auf Ihre Frau und Ihren Sohn aufpassen. Und auf Ihre Eltern. Deshalb haben sie nichts zu befürchten. Niemand kommt an sie ran - weder diese religiösen Fanatiker noch sonst jemand. Niemand kommt auch nur in ihre Nähe. Wir haben Sie nur deshalb nicht angerufen, weil wir nach allem, was passiert ist, sehr vorsichtig sind …«
Mit Erschrecken begann Simon zu dämmern, wohin dieses Gespräch führen würde.
Der Polizist bestätigte seine Ahnung.
»Es geht um Tim, Simon. Um Ihren Bruder Tim. Warum haben Sie uns nichts von Tim gesagt?«
»Ich … weiß nicht… ich weiß es einfach nicht.«
Simon schauderte vor Reue. Tim. Natürlich. Warum hatte er ihnen von Tim nichts gesagt? Als Sanderson ihn nach Familienangehörigen gefragt hatte, die möglicherweise unter Polizeischutz gestellt werden müssten, hatte er Tim nicht erwähnt. Warum? Hatte es daran gelegen, dass er sich Tims schämte? Oder weil er nicht an Tim denken wollte? Oder weil er wirklich gedacht hatte, Tim habe nichts zu befürchten und sei deshalb nicht wichtig?
Vielleicht trafen alle drei Erklärungen zu, verschlungen zu einem Knoten des Leugnens und Verdrängens.
»Was ist mit ihm? O mein Gott. Ist er …«
»Nein, tot ist er nicht. Aber wir wissen, dass er entführt wurde. Gekidnappt.«
»Woher wissen Sie das? Sind Sie sicher, dass er nicht bloß ausgerissen ist?«
Sandersons Stimme war trocken und kühl. »Leider ja. Wir haben eindeutige Beweise. Sie haben ihn entführt.«
»Beweise?«
»Ein Video. Sie haben es uns gemailt. Die Entführer haben es gestern spätnachts an alle Beteiligten geschickt. An Ihre Frau, Ihre Eltern und natürlich auch an Sie, nehme ich mal an. Wenn Sie Ihre Mails abrufen, werden sie es finden. Ich rate Ihnen allerdings dringend, das Video zu löschen.«
»Wie bitte?«
»Sehen Sie es sich nicht an, Simon. Sehen Sie es sich auf keinen Fall an!«
»Warum nicht?«
»Es ist… sehr beängstigend.«
Ein Flugzeug landete mit einem bösartigen Dröhnen. Simon drückte den Hörer fester an sein Ohr. »Foltern sie ihn?«
»Nein. Aber sie … benutzen ihn. Um mit Ihren Gefühlen zu spielen. Sie machen das sehr geschickt. Sie wollen Ihre Gefühle, Ihr schlechtes Gewissen nutzen, um Sie gefügig zu machen. Und sie benutzen ihn, um Druck auf Sie auszuüben. Sie wissen offensichtlich, dass Sie mit Martinez und Myerson in Kontakt stehen. Sie wollen alles von Ihnen wissen - alles. Tim befindet sich in großer Gefahr.«
»Und was soll ich jetzt machen? Was kann ich machen? Nach Hause kommen?«
»Nein.«
»Was dann?«
»Tauchen Sie unter.«
Um sicherzugehen, dass er richtig gehört hatte, drückte Simon den Hörer fester an sein Ohr. »Untertauchen? Sie wollen, dass ich mich einfach… verstecke?«
»Vorerst ja.« Sandersons Stimme senkte sich. »Tut mir leid, aber ich muss Ihnen das leider sagen. Sie haben sich ganz allein dafür entschieden, so zu handeln, wie Sie gehandelt haben. Jetzt sehen Sie, was dabei herausgekommen ist. Ich will Ihnen hier keine Vorwürfe machen. Aber … nach Frankreich zu fahren, ohne uns zu informieren. Das war nicht sehr schlau. Aber wie gesagt, so haben Sie sich nun mal entschieden. Und jetzt gehen Sie wahrscheinlich ein größeres Risiko ein, wenn Sie nach London zurückkommen. Möglicherweise werden Sie unterwegs entdeckt. Sicher rechnen sie damit, dass Sie mit Ihrer Familie Kontakt aufzunehmen. Ihre Freunde haben doch gesagt, dass wir der französischen Polizei nicht trauen können, oder? Die Sache ist also ganz schön haarig. Wer weiß, wo sie überall ihre Leute haben.« Er seufzte laut. »Das Wichtigste ist - Ihre Frau und Ihr Sohn sind in Sicherheit. Dafür lege ich meine Hand ins Feuer. Meine Männer sind sehr zuverlässig. Und es gibt nichts, was Sie tun könnten, um
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