Cagot
gelitten. Und ich fand, sie hätte eine Erklärung verdient, warum das alles geschah.«
»Und was hat Fischer nun herausgefunden?«
»Das kann ich nicht sagen. Weil ich keinen Beweis dafür habe. Und solange ich keine Beweise habe, gebe ich keine Statements ab. Ich bin Wissenschaftler.« Er warf Amy einen wütenden Blick zu. »Warum lässt du mich nicht endlich in Ruhe? Mein Freund ist tot, und Eloises Blut klebt ebenfalls an meinen Händen. Ich habe die Schnauze voll. Endgültig.«
»Du willst es uns also nicht sagen.«
»Nein. Weil ich es nicht sicher weiß. Ich habe diese Fischer-Experimente nie gemacht. Aber … aber wenn Kellerman recht hatte, gibt es jemanden, der euch in dieser Sache weiterhelfen kann.«
Die Stimmungsschwankungen des Schotten machten die Sache nicht gerade einfacher. Er starrte jetzt wieder geradeaus nach vorn. David folgte seinem Blick die karge Küste entlang. Er konnte Gebäude sehen, einen Kirchturm, bunt gestrichene Häuser. Noch so ein unwirkliches deutsches Städtchen, das von der Wüstenküste auf das erbarmungslose Meer hinausblickte.
David griff den Gesprächsfaden wieder auf.
»Wer ist dieser Jemand?«
Angus nahm Fahrt heraus. Das Boot näherte sich dem Hafen.
»Ein Nazi. Ein widerlicher alter Nazi. Dresler. Er hat in Gurs mit Fischer zusammengearbeitet. Ist schon ziemlich alt. Kannte Großvater Kellerman. Und wie ihr vorhin selbst mitbekommen habt, weiß Dresler Bescheid.«
»Könntest du das bitte etwas genauer erklären«, sagte Amy. »Was genau weiß dieser Dresler?«
»Dieser saubere Doktor Dresler hat sich irgendwann in den neunziger Jahren aus Europa abgesetzt. Offenbar ist seine Rolle während der Naziherrschaft doch noch bekannt geworden. Wie es allerdings dazu kam, weiß ich nicht. Jedenfalls setzte er sich daraufhin hierher ab. Ein idealer Platz, um unterzutauchen, Lüderitz, Millionen Meilen vom nächsten Kartoffelsalat entfernt. Und er kannte die Kellermans. Von früher.«
»Und?«
»Na, strengt euren Hirnkasten ein bisschen an. Spult zurück. Denkt nach.«
»Wie bitte?«
»1946 meldete sich Eugen Fischer bei seinen alten Bekannten, den Kellermans, und erzählte ihnen, was er in Gurs entdeckt hatte. Und natürlich waren die Kellermans begeistert über die Entdeckung der Deutschen.« Das Boot wurde langsamer. »Allerdings fehlten den Kellermans die Beweise, denn sie hatten Fischers Forschungsunterlagen nicht, mit denen sich alles hätte belegen lassen. Deshalb haben sie - ganze sechzig Jahre lang - darauf gewartet, dass die moderne Genforschung ein zweites Mal den Nachweis für die Richtigkeit dessen erbringen würde, was die Deutschen bereits im Zweiten Weltkrieg entdeckt hatten.« Angus lächelte lakonisch. »Sie denken in sehr langen Zeiträumen, diese jüdischen Dynastien. Man könnte sagen, sie warten schon seit der Babylonischen Gefangenschaft darauf. Jedenfalls setzten die Kellermans große Hoffnungen in das Diversity Project in Stanford - die sich dann aber rasch zerschlugen.« Er blinzelte, als Wasser gegen das Boot spritzte. »Dann wurde GenoMap ins Leben gerufen - und sie übernahmen uns mehr oder weniger und spannten uns für ihre Zwecke ein. Um die Fischer-Experimente zu wiederholen. Dann nahmen sie hier in Namibia Kontakt zu Dresler auf, der viele wichtige Informationen zu unseren Forschungen beisteuerte. Zum Beispiel, auf welche Personengruppen wir uns bei unseren Blutuntersuchungen konzentrieren sollten. Welche Richtung wir bei unseren Forschungen einschlagen sollten. Und schließlich … die Cagots.« Er sah David an.
»Aber … wie kann uns Dresler jetzt noch helfen?«, fragte Amy.
»Ganz einfach. Wenn richtig ist, was Nathan behauptet hat, dann weiß Dresler, was die deutschen Ärzte nach dem Krieg wussten. Er weiß im Grunde alles.«
»Nach dem Krieg? Und was heißt das konkret?«
Ein Achselzucken.
»Angus!«
Der Schotte nahm noch mehr Fahrt heraus. Seevögel folgten dem Boot. Er sah Amy an, dann David. »Die Nazis haben die DNS entdeckt - schon während des Kriegs.«
David war baff. »Die DNS?«
»Ja. Sie waren ihr schon eine ganze Weile auf der Spur. Erste Ahnungen davon bekam Fischer bereits in Namibia, als er seine Studien an den Khoisan und Baster vornahm. Den endgültigen Beweis fand er dann in Gurs. Aber das ist nicht der entscheidende Punkt. Das wirklich Entscheidende ist, was die Nazis mit diesen neuen Erkenntnissen über die genetischen Abweichungen unter den Menschen angefangen haben. Das war eine Entdeckung von
Weitere Kostenlose Bücher