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Cagot

Cagot

Titel: Cagot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Knox
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den Himmel ragte.
    Kellermans Stimme war kaum noch ein Flüstern. Der Konzernchef lag mit schweißglänzendem Gesicht auf dem schwarzen Gummiboden des Schlauchboots; über seine Wange zog sich, wie eine Kriegsbemalung, ein roter Streifen aus Blut.
    »Dann ist Eloise also tot. Die letzte Cagot…«
    »Ja.« Über Angus Nairns Züge legte sich ein trauriges Lächeln. »Miguel allein nützt uns nichts.«
    Eine angespannte Pause. Nathan Kellerman streckte die Hand aus und berührte Angus’ Handgelenk. Die Geste war verhalten, vornehm, kultiviert.
    »Angus. Eine Möglichkeit gibt es noch.«
    »Ja?«
    »Du musst Fischers Forschungsunterlagen finden.«
    »Und wie?«
    Die blitzenden grünen Augen des schottischen Wissenschaftlers waren auf Nathan Kellermans schmerzverzerrtes Gesicht geheftet. David beugte sich zu den beiden hinab, um ihre mühsame Unterhaltung besser verfolgen zu können. »Weißt du denn, wo sie sind?«, fragte Angus aufgeregt.
    »Nein. Aber … Dresler vielleicht. Vielleicht weiß er es. Er war sozusagen mein Notanker. Ich habe mir immer gesagt, wenn bei der Analyse der Blutproben in den Tamara-Labors nichts herauskommt, dann ist er unsere letzte Hoffnung. Er weiß, glaube ich, wo Fischers Forschungsunterlagen versteckt sind … aber er wird … es dürfte nicht einfach werden, ihm dieses Geheimnis abzuringen.« Kellerman hustete in seine Hand. Er blickte in seine Handfläche, die blutüberströmt war. Kellerman sank zurück und starrte mit grimmiger Schicksalsergebenheit in den Himmel. Dann richtete er seinen kaum mehr fokussierten Blick noch einmal auf Angus.
    »Wie gesagt: Dresler weiß es, glaube ich. Und ich hatte immer das Gefühl, dass ich es aus ihm herauskriegen könnte, wenn es hart auf hart käme, aber man müsste wahrscheinlich … bis zum Äußersten gehen. So weit wollte ich es bisher nicht kommen lassen; dafür habe ich ihn einfach zu sehr gebraucht.« Ein weiterer Hustenanfall. Dann fuhr er mit gequälter Miene fort: »Aber was spielt das jetzt noch für eine Rolle? Versuch es einfach. Du hast nichts zu verlieren.« Kellerman schwitzte in der Sonne. »Das hier ist meine Haltestelle, Angus. Ich muss jetzt aussteigen.«
    Angus packte Kellermans Arm. »Kommt überhaupt nicht in Frage, Nathan.«
    »Mit mir geht’s zu Ende, Angus. Schau.« Wie eine Prostituierte, die ihr Negligee aufschlug, öffnete Kellerman sein Jackett; in seinem Brustkorb pulsierte ein riesiges schimmerndes Oval aus Blut, wie eine scharlachrote Nesselqualle. Amy und David tauschten bestürzte Blicke aus. Angus drehte sich zum Außenbordmotor um und nahm das Gas heraus; aber noch während der Motor im Leerlauf zu tuckern begann, stemmte sich Nathan Kellerman mit letzter Kraft auf die Seite des Boots hoch. »Nein!«, schrie David entsetzt.
    Es war zu spät. Kellerman glitt in das kalte Wasser des südlichen Atlantiks. David starrte ihm entsetzt hinterher. Kellermans Gesicht war ein trauriges weißes Oval inmitten endlosen Blaus. Angus drehte sofort bei.
    Aber Kellerman begann bereits zu versinken. Aus seiner Brust qualmte Blut.
    Und dann kamen die Haie. Das Wasser brodelte von den peitschenden Schlägen ihrer Schwanzflossen. David erhaschte einen kurzen Blick auf zwei messerscharf gezackte Zahnreihen; sie waren bereits leuchtend rot gefärbt. Wie im Rausch zerrten die fresslustigen Tiere an Kellermans blutendem Körper und zogen ihn in die Tiefe. David sah wie gelähmt zu: Er konnte den Blick nicht von den Haien losreißen, die erbarmungslos an den Armen und Beinen ihres Opfers zerrten.
    Nathan Kellerman zeigte kein Lebenszeichen mehr. Er ließ sich widerstandslos in die Tiefe ziehen. David starrte in das saphirne Blau hinab, wo die Haie um den kaum mehr zu erkennenden Körper kreisten. Ein Rülpser aus Blut und Luft platzte an die Oberfläche und tauchte die Wellen in schäumendes Rot.
    Dann Stille.
    Wortlos startete Angus den Außenbordmotor wieder und steuerte das Boot weiter durch die unruhigen Wellen.
    Sie kamen an verlassenen Buchten vorbei, und die Schreie der über ihnen kreisenden Seevögel waren wie sterbende Himmelsstürze. David starrte abwesend auf die schwarzen Felsen und den gelben Sand.
    Er dachte an das Blut im Wasser; ein Mensch, der bei lebendigem Leib aufgefressen wurde.
    Dann begann Angus Nairn zu sprechen.
    »In diesem Gebäude waren sämtliche Blutproben und Forschungsunterlagen. Und natürlich Eloise. Alles unwiederbringlich verloren. Und Nathan war der festen Meinung, wir hätten nichts zu

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