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Cagot

Cagot

Titel: Cagot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Knox
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Cagots umbrachte. Es konnte gar nicht anders sein.
    »Es ist Miguel. Er hat die ganzen Morde begangen. Oder zumindest die meisten.«
    Amy runzelte die Stirn.
    »Aber warum? Und wie?«
    »Das weiß ich nicht. Ich weiß nur eins: Miguel hat meine Mutter und meinen Vater umgebracht. Die …« Seine Stimme wurde so leise, dass sie kaum mehr zu hören war. Sie war nur noch ein finsteres Flüstern. »Eloises Großmutter hat doch selbst gesagt, dass ihr jedes Mal, wenn in Gurs ein Mord passiert ist, ein ganz bestimmter Mann aufgefallen ist. Ein auffallend großer Mann. Erinnerst du dich nicht mehr? Das kann nur Miguel gewesen sein. Sie hat es geahnt. Sie hat instinktiv gespürt, dass der Mann, der ihre Familie umgebracht hat, auch meine Eltern auf dem Gewissen hat. So ist es, Amy. So muss es sein. Er begeht diese Morde aus einem bestimmten Grund. Und aus diesem Grund ist er auch hinter uns her. Deshalb will er uns umbringen.«
    »Aber wieso?« Ihre Stimme war leise - und doch fest. »Was hat das alles mit dir zu tun, mit dir und … mit Jose? Und mit den Cagots?«
    »Er hat die Karte meines Großvaters gesehen, als wir bei Jose waren.« David entwickelte seine Theorie, während er sprach. »Vielleicht hat er gemerkt, dass wir dasselbe Ziel verfolgen. Dass wir derselben Spur folgen, die schon meinen Eltern zum Verhängnis wurde. Und deshalb versucht er, auch uns aus dem Weg zu räumen.«
    Amy schaute aus dem Fenster zu den Sternen hinauf. »Wahrscheinlich … und Jose wusste … er wusste, dass Miguel auch uns umbringen würde, wenn wir dieses Geheimnis aufzudecken versuchen. Er wollte uns vor seinem Sohn retten. Mein Gott.«
    David nickte. Wie hatte er nur so blind sein können? Es war, als hätte er die ganze Zeit nur ein winziges Detail eines Gemäldes angestarrt, ohne zu merken, dass das eigentliche Bild viel größer war. Erst jetzt kam ihm das ganze Grauen in seinem vollen Umfang zu Bewusstsein: das blutrünstige biblische Tableau eines brutalen, unbezwingbaren Sohnes, der Mütter und Väter mordete.
    »Aber warum?«, fragte Amy. »Welches Geheimnis könnte so verheerend sein, dass Miguel immer wieder morden muss, um zu verhindern, dass es aufgedeckt wird?«
    »Es muss etwas mit seinem Vater zu tun haben«, sagte David. »Und mit dem Krieg. Jose war in Gurs. Der Verräter von Gurs…?«
    Im Licht der Autoscheinwerfer blitzte kurz das rot-weiße Ortsschild von Campan. Doch dann fuhr Eloise langsamer. Und zum ersten Mal seit einer halben Stunde begann sie wieder zu sprechen.
    »Jetzt wird es schwierig … von hier ab.«
    Sie fuhren über eine Brücke. Hinter den Schieferdächern von Campan konnte David den traurigen Kirchturm aufragen sehen; kurz leuchtete im Scheinwerferlicht das Gesicht einer Stoffpuppe auf, die glücklich lächelnd neben der Zufahrt zur Brücke lag; und dann waren sie auf der verrufenen Seite des Flusses, in der Cagoterie. Verfallene Häuschen mit leeren schwarzen Fenstern, eingestürzte Scheunen und brachliegende Felder säumten die Straße.
    Dichter Wald wucherte heran, um sich das ehemalige Getto der Unberührbaren wieder einzuverleiben.
    Die Straße wurde immer schlechter, überall lagen Steine und Äste. In der klammen Dunkelheit gewann David den Eindruck, als führen sie unter der Erde dahin - auf beiden Seiten der Straße erhoben sich die steilen Felswände einer Schlucht. Die armseligen Häuser, niedrige graue Umrisse zwischen den Bäumen, wurden weniger; eine gespenstisch weiße Eule flatterte durch das grelle Scheinwerferlicht.
    »Voilä.«
    Es war ein sehr großes, sehr altes Steinhaus. Wahrscheinlich aus dem Mittelalter. Doch trotz seiner Größe war es sehr geschickt getarnt. Dichtes Buschwerk verbarg die Abzweigung, die zu ihm führte, mächtige Bäume umgaben es wie eine natürliche Schutzmauer, ringsum erstreckte sich das Labyrinth der verfluchten Cagoterie - und es lag in der finsteren Schlucht.
    »Ich war bisher nur ein einziges Mal hier«, sagte Eloise. »Mit meinen Großeltern. Das ist das Haus, in dem sich die Cagots versteckten, wenn die Verfolgungen besonders schlimm wurden. Die letzte Zuflucht der Cagots. Unter dem Haus gibt es zahlreiche Höhlen und Gänge. Les chemins des Cagots. Deshalb haben sich die Cagots hierher zurückgezogen, wenn es besonders gefährlich wurde.«
    Sie stiegen aus. Die vom würzigen Duft des Waldes durchsetzte Nachtluft war fast eisig. David fuhr erschrocken zusammen.
    Im Haus brannte Licht. Ein flackerndes Licht, wahrscheinlich eine Laterne oder eine

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