Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cagot

Cagot

Titel: Cagot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Knox
Vom Netzwerk:
Traurigkeit und ein fast unwiderstehliches Verlangen nach einem Drink. Deshalb heftete er seinen Blick wieder auf Emma Winyard. Er riss sich zusammen.
    »Dann ist das Ganze also ausgemachter Unsinn? Nichts, was normale Christen glauben?«
    Wieder tauchte der Kellner auf. Diesmal servierte er einen Teller mit einem Knochen darauf. Nur ein Knochen. Wie ein gebratenes Kniegelenk.
    Da er noch nie in diesem seltsamen Restaurant gewesen war, hatte Simon sich bei seiner Bestellung auf die extravagante Professorin verlassen. Mit einem Knochen hatte er allerdings nicht gerechnet.
    Emma Winyard deutete schicklich mit ihrem Messer. »Das Essen ist… innen.«
    »Äh, wie bitte?«
    »Das ist gebratenes Knochenmark, Mister Quinn. Deshalb haben Sie diese kleine Gabel bekommen: um das Mark aus dem Knochen zu schaben. Dann bestreichen Sie damit diese Toastscheiben. Sie werden sehen: köstlich.«
    Er griff nach dem Gäbelchen. Und legte es wieder zurück.
    »Sagen Sie doch Simon zu mir.« Er starrte auf das Kniegelenk auf seinem Teller. »Ich werde mich gleich über den Knochen hermachen.«
    »Aber natürlich.« Emma Winyard rückte wieder genüsslich ihren graubraunen Innereien zu Leibe. »Soll ich mit meiner Theologievorlesung fortfahren?«
    »Ich bitte darum.«
    »Die Bedeutung von >Same der Schlange< ist darin zu sehen: Auch wenn die Lehre als solche nur von einer verschwindend geringen Minderheit protestantischer Sekten propagiert wird, zum Beispiel von der Christian-Identity-Bewegung in Amerika oder auch von midraschischen Strömungen des Judentums, steht sie dennoch in Einklang mit einer abweichenden Auslegung des Pentateuch, die von großer Bedeutung ist.«
    »Sprechen Sie eigentlich gerade unsere Sprache?«
    Sie lächelte. »Lassen Sie es mich doch so sagen: Es gibt noch eine zweite, ähnlich kontroverse Auslegung der frühen Bücher der Bibel, die im Lauf der Jahrhunderte für viel Leid und Zwist gesorgt hat.«
    »Und die wäre?«
    »Das Problem mit Kains Frau. Und alles, was damit zusammenhängt.«
    »Aha …«
    Sie näherten sich dem Kern der Sache. Doch Simon musste etwas essen - denn er hatte den ganzen Tag noch nichts zu sich genommen. Deshalb griff er nach seiner kleinen Gabel und stach damit in das überraschend zarte Zentrum des Knochens. Ein seltsamer kleiner wabbeliger Gallertklumpen kam, auf die Gabel gespießt, heraus. Das gebratene Mark. Es sah widerlich aus, roch aber ziemlich gut. Er legte es auf eine Scheibe Toast, holte tief Luft und aß es.
    Trotz der ekligen Konsistenz schmeckte es seltsamerweise hervorragend.
    »Sehen Sie!«, sagte Emma Winyard mit einem Lächeln auf ihren attraktiven Zügen. »Schmeckt doch gar nicht so schlecht.«
    »Nein … erzählen Sie mir mehr über diese Irrlehre.«
    Emma war mit ihren Kutteln fertig; sie legte Messer und Gabel beiseite, nahm einen Schluck Wasser und beugte sich vor.
    »Ich werde es Ihnen erzählen, während Sie sich über Ihren Knochen hermachen. Zuallererst müssen Sie wissen, dass es im Buch Genesis seltsame Andeutungen gibt, dass Adam und Eva zur Zeit der Schöpfung nicht die einzigen Menschen auf der Welt waren.«
    Den Mund voll Knochenmark, hörte Simon zu kauen auf.
    »Wie bitte?«
    »Ja. Im Pentateuch gibt es mehrere eigenartige und mysteriöse Hinweise auf nicht adamische Menschen: andere Menschenrassen, die neben Adam und Eva existierten. In der Genesis heißt es zum Beispiel, dass Kain in die Welt hinauszog: >Und der HERR machte ein Zeichen an Kain, dass ihn niemand erschlüge, wer ihn fände.< Nun ist allerdings die Frage, wer diese Leute gewesen sein sollen, die ihn hätten finden können? Rein theoretisch gab es zu diesem Zeitpunkt nur Adam und Eva. Das steht im vierten Kapitel der Genesis. Vor wem hätte sich Kain also fürchten sollen?«
    Simon setzte sich zurück. Er warf einen Blick auf die Laptoptasche, die neben ihm stand. Eigentlich sollte er sich ordentliche Notizen machen. Das waren hochinteressante Informationen, außerdem waren sie ziemlich brisant, vor allem diese biblische Vorstellung von anderen Menschen, die bereits unabhängig von Adam und Eva auf der Erde existiert hatten - wie ein Stamm bleicher Schatten.
    »Das ist allerdings eigenartig«, sagte er nickend. »Erzählen Sie bitte weiter.«
    Doch die elegante Miss Winyard wurde abgelenkt, weil der Kellner ihr gerade den Vorspeisenteller wegzog und den nächsten Gang vor sie hinstellte. Ihr Gesicht leuchtete auf.
    »Schweinebacke mit Butterbohnen, eins meiner

Weitere Kostenlose Bücher