Cagot
jedoch, dass die hohe katholische Geistlichkeit in diesem Fall für eine Entwicklung zum Besseren stand, zumindest, was Basken und Cagots angeht.«
»Was wurde aus den Ergebnissen dieser Cagot-Experimente?«
»Genau das wollte auch Nairn wissen.« Emma Winyard griff nach ihrer Handtasche und schickte sich zum Gehen an. »Ich konnte ihm nur so viel sagen: Die Inquisition hat ihre Unterlagen über die Basken streng geheim gehalten, und entsprechend wohl auch die über die Cagots.«
»Darf ich einfach mal raten? Die Dokumente wurden nach Rom geschickt, in die vatikanische Bibliothek?«
»Ja und nein. Vergessen Sie nicht, die Inquisition lag vor allem in den Händen der Dominikaner, der Hunde Gottes, wie sie wegen ihres Fanatismus und Sadismus genannt wurden. Es ist ein mittelalterliches Wortspiel mit ihrem Namen. Domini Cani. Gottes Hunde!«
»Es geht doch nichts über diese mittelalterlichen Wortspiele.«
»Die Dominikaner waren die großen Hexenverbrenner des Mittelalters. Zwei Hunde Gottes schrieben den Malleus Malleficarum, den Hexenhammer - die Bibel der Hexenjäger. Du liebe Güte, gleich drei Uhr, jetzt muss ich aber wirklich.«
Die hochgelehrte Dame sprang auf. Simon stand ebenfalls auf und schüttelte ihr die Hand, als sie sich formvollendet verabschiedete.
»Tut mir leid, dass ich so überstürzt aufbreche. Die Guildhall-Bibliothek schließt um vier. Aber Ihre brennendste Frage kann ich Ihnen noch beantworten - Sie wollen doch wissen, was aus diesen hochinteressanten Aufzeichnungen wurde.«
»Allerdings.«
»Also schön. Einige rechtslastige Dominikaner waren besonders am Kanaansfluch interessiert. Sie glauben bis zum heutigen Tag daran. Sie weigerten sich, Materialien herauszugeben, die ihre Sache angeblich unterstützten. Zugleich wollte der Papst kein Schisma - Päpste wollen nie ein Schisma! -, und deshalb einigte man sich auf einen Kompromiss.«
»Ja, und weiter?«
»Die Dokumente, die sich auf die Cagots und die Basken bezogen, wurden unter extremen Sicherheitsvorkehrungen eingelagert. Sie wurden im Angelicum aufbewahrt, der von den Dominikanern geleiteten päpstlichen Universität in Rom. Jahrhundertelang waren sie dort sicher. Doch dann, nach dem Krieg und dem Ende der Naziherrschaft, gelangte man zu der Überzeugung, dass dieser Ort nicht mehr sicher genug sei für derart… brisante Daten. Sehen Sie jetzt, wo das Problem liegt?« Sie lächelte mild. »Gerüchten zufolge wurden die Dokumente in aller Heimlichkeit an einen noch sichereren Ort gebracht. Aber wo sich dieser Ort befindet, das weiß niemand! Wissenschaftler stellen diesbezüglich schon jahrzehntelang Spekulationen an. Sie versuchen, in mühsamer Kleinarbeit herauszufinden, was aus den Dokumenten über die Basken und die Cagots geworden ist. Ein theologisches Kreuzworträtsel gewissermaßen.«
»Und was glauben Sie?«
»Ich? Ich glaube, die Archive wurden schlicht und einfach vernichtet, und diese ganzen Verschwörungstheorien sind nichts weiter als Hirngespinste, was ich auch Angus Nairn gesagt habe - zu seiner nicht geringen Enttäuschung. Aber so ist es nun mal.
Und jetzt muss ich wirklich los, bevor mir noch mein ganzer Tag verloren geht.«
»Natürlich … trotzdem vielen Dank.« Simon fühlte sich in doppelter Hinsicht übersättigt. Er musste sowohl das ungewöhnliche Mittagessen als auch die noch ungewöhnlicheren Informationen verdauen. »Sie haben mir enorm geholfen.«
Die Professorin lächelte. »Keine Ursache.«
Ihre elegante Erscheinung verschwand die metallene Wendeltreppe hinunter. Simon zahlte die Rechnung, steckte die Quittung ein und folgte ihr wenig später.
Draußen auf der Straße winkte er mit dem befriedigenden Gefühl, gute Arbeit geleistet zu haben, einem Taxi. Er fand, er hatte sich die Taxifahrt nach Hause redlich verdient. Jetzt durfte er guten Gewissens auf dem Rücksitz des geräumigen Londoner Taxis sitzen und eine dicke, wenn auch metaphorische, Zigarre rauchen.
Doch dann fiel es ihm wieder ein. Fazackerly. Als das Taxi an den Uhrmacherwerkstätten und verglasten Wohnblocks von Clerkenwell vorbeirauschte, holte er sein Handy heraus und hörte seine Mailbox ab.
Die erste Nachricht war lang, zusammenhanglos und weitschweifig. Der Professor sagte, er sitze zum letzten Mal in seinem Büro und habe verschiedene neue Theorien, die Simon vielleicht interessieren könnten. Er faselte von »kirchlichen Gegnern seiner Forschungsarbeit«. Er erwähnte einen Papst. Er entschuldigte sich, dass er sich
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