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Calhoun Chronicles 03 - Die Schoene Tochter Des Senators

Calhoun Chronicles 03 - Die Schoene Tochter Des Senators

Titel: Calhoun Chronicles 03 - Die Schoene Tochter Des Senators Kostenlos Bücher Online Lesen
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Pflichterfüllung.
    Das Schwierigste stand Abigail jedoch noch bevor, und das würde sich ergeben, wenn ihr Vater heimkehrte. Sie begab sich in Helenas Zimmer, weil sie deren moralische Unterstützung brauchte.
    Helenas Raum indes war leer, abgesehen von dem Duft ihres Parfüms, der noch in der Luft hing. Weil sie den ganzen Tag in einer Mietkutsche eingesperrt gewesen war, ging Abigail unruhig im Zimmer auf und ab und tat, als könnte sie gleiten wie ein Schlittschuhläufer. Neuerdings dachte sie kaum noch an ihre Behinderung, doch möglicherweise narrte sie sich auch nur selbst und war in Wahrheit so tollpatschig wie zuvor.
    Schon bei diesem Gedanken blieb ihr Fuß prompt an der Teppichkante hängen. Abigail stolperte und fing den Sturz mit beiden ausgestreckten Händen ab, wobei sie den Frisiertisch umriss. Flaschen und Parfümzerstäuber rollten über den Fußboden.
    Hoffentlich kommt Dolly jetzt nicht, um nachzuschauen, was solchen Lärm gemacht hat, dachte sie und ging in die Hocke, um die Sachen aufzusammeln. „Lerne ich es denn nie?“ murmelte sie enttäuscht vor sich hin.
    Eine alte Zigarrenschachtel mit Schreibpapier hatte unter dem Volant der Decke des Frisiertischs gelegen, und die war ebenfalls zu Boden gefallen. Abigail wollte das Papier schnell wieder in die Zigarrenschachtel zurückstecken, doch dann hielt sie inne, und ihre Stirn legte sich in Falten.
    In fast kindlicher Handschrift hingekritzelt, bedeckte Zeile um Zeile Helenas Name die Seiten:
     
    Miss Helena Cabot
    … Mrs. Michael Rowan
    … Mrs. Rowan...
     
    Trotz ihrer eigenen Probleme empfand Abigail größtes Mitgefühl mit ihrer Schwester. Helena tat immer so, als kümmerte sie ihre Unfähigkeit zu lesen und zu schreiben nicht im Geringsten. Abigail bot ihr ständig Hilfe an, doch ihre Schwester schüttelte immer wieder den Kopf und behauptete, sie sei ein hoffnungsloser Fall. „Ich bin eine erwachsene Frau; wenn ich es bis jetzt nicht gelernt habe, lerne ich es auch nicht mehr.“
    Doch was Abigail jetzt gefunden hatte, bewies, dass es auch für Helena Dinge gab, die außerhalb ihrer Reichweite lagen.
    Gerade als sie mit dem Kaminbesen die Glasscherben zusammenkehrte, kam Helena mit einer großen Holzkiste herein.
    „Abigail? Dolly und ich dachten, wir hätten etwas gehört - oh!“ Sie blieb bei der Tür stehen und sah den umgekippten Tisch, die zerbrochenen Flaschen und die Schachtel mit dem Schreibpapier. Ein fiebriges Rot stieg ihr in die Wangen. Wortlos stellte sie die Holzkiste aufs Bett, ging durchs Zimmer und richtete den Tisch wieder auf.
    „Helena, es tut mir sehr Leid. Ich suchte dich, und dabei habe ich den Tisch umgestoßen. Es war keine Absicht.“
    „Gewiss.“ Helena stellte den Tisch gegen die Wand, an der ein Spiegel hing.
    Abigail holte tief Luft. „Ich wünschte, du ließest dir von mir helfen...“
    „Dieses Thema hatten wir doch schon. Es hat sich nichts geändert. Ich habe noch immer keinen Kopf fürs Lernen, und so wird es auch bleiben.“
    „Ich habe mich geändert“, erklärte Abigail und schob die Zigarrenschachtel wieder unter den Volant der Tischdecke. „Ich gebe zu, es war nicht leicht, doch ich habe damit aufgehört, mir von meinem Fuß und meiner Schüchternheit die Freude am Leben verderben zu lassen. Der Unterschied bestand nur darin, dass ich mein Problem nicht unter der Tischdecke verstecken konnte. Ich könnte dir wirklich helfen, und was ist mit Professor Rowan?“
    „Michael ist ein kluger Mann; eine dumme Gans wie mich würde er niemals tolerieren.“
    „Gib ihm eine Chance. Vielleicht überrascht er dich.“
    „Diese Chance habe ich ihm schon gegeben. Angeblich hat er mit mir Schluss gemacht, weil ihm sowohl das Vermögen als auch die gesellschaftliche Stellung für eine Cabot fehlt. Der wirkliche Grund ist jedoch ein anderer. Er weiß genau, dass er sich nach einiger Zeit mit mir langweilen würde.“
    Da Abigail etwas in der großen Holzkiste auf dem Bett scharren hörte, lugte sie hinein. Ein rosa Näschen reckte sich ihr zuckend entgegen. „Er hat dir Sokrates geschenkt?“
    „Das ist auch das Einzige, was er mir je geschenkt hat.“ Helena verzog die Lippen zu einem spöttischen Lächeln. „Nun ja, praktisch das Einzige. Jetzt jedenfalls hat er eine Stellung an einem Frauen-College im Norden angenommen. Er wird bald abreisen. Ich nehme an, er dürfte recht glücklich sei n , wenn er an einem Institut mit tausend reichen und jungen Frauen lehren kann, die ihn wie einen Gott

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