Calhoun Chronicles 03 - Die Schoene Tochter Des Senators
statt, die ebenso brutal wie bezwingend war. Mit einer Mischung aus Entsetzen, Staunen und seltsam heißer Erregung schaute Abigail zu. Sie vermutete, dass die Hitze eine Form der Lust war, und es berührte sie peinlich, überhaupt Lust zu empfinden, während sie die Paarung der Pferde betrachtete.
Das gewalttätige Ritual dauerte einige Minuten an. Danach stieß der Hengst eine Art Grunzen aus und stellte seinen Angriff ein. Die Stute ließ den Kopf hängen. Ihre Flanken bebten heftig. Sie wirkte besiegt und so erschöpft wie der Hengst auch, der sie noch immer bedeckte. Sand und Staub wirbelten in kleinen Wölkchen um die Tiere herum.
Endlich zog sich der Hengst zurück, ohne die Stute noch weiter zu beachten. Schweife zuckten, Feuchtigkeit rann über die Leiber. In der Luft lag ein Geruch nach Schweiß, Blut und nach etwas, das Abigail zwar nicht zu benennen vermochte, das sie jedoch tief in sich fühlen konnte.
„Ich kann mir vorstellen, dass Sie so etwas nicht jeden Tag sehen“, meinte Jamie.
„Versuchen Sie, mich zu schockieren?“
„Ja.“
„Dann ist es Ihnen durchaus gelungen.“
„Sehr gut.“
„Wieso wollten Sie mich schockieren, und weshalb ist es gut?“ „Es ist immer gut, wenn man etwas Neues sieht. Und kein Mensch behauptet, eine Paarung sei etwas Hübsches. Ein Hurrikan ist auch nicht hübsch, doch se ine Macht lässt sich nicht leugnen. «
„Das heißt noch lange nicht, dass ich mir einen Hurrikan anschauen will“, gab sie zurück.
„Vielleicht sollten Sie es sich einmal überlegen“, versetzte er. „Sie verbringen Ihre Zeit mit der Sternguckerei und dem Studium hübscher Dinge. Nun, die Welt besteht nicht nur aus Kristall und Samt. Sie schauen in den Himmel und verstecken sich, Abby. Sie verstecken sich vor dem Leben, vor dem Schmutz und der Wirklichkeit.“ Er lachte über ihren Gesichtsausdruck. „War das etwas, das ich nicht hätte sagen sollen?“
Niemand hatte je so mit ihr gesprochen. Niemand hatte ihr je vorgeworfen, dass sie nur an Schönheit und Wissenschaft interessiert war.
Abigail verließ ihren Standort beim Koppelzaun und stapfte den Weg entlang. Wohin er führte, wusste sie nicht. Sie wollte nur fort von hier. Als sie Jamies Stiefel auf dem Kies knirschen hörte, merkte sie, dass er ihr folgte. Beharrlich blickte sie geradeaus.
„Ich konnte ja nicht ahnen, dass Sie etwas dagegen hätten, Zeugin eines natürlichen Vorganges zu sein“, versicherte er hinter ihrem Rücken. „Sie sind doch Wissenschaftlerin.“
Da hatte er natürlich Recht. Und was hätte sie nun sagen sollen? Ich bin aber keine Wissenschaftlerin, die sich für derartige Dinge interessiert?
„Sie zeigten mir das nicht im Interesse der Wissenschaft“, beschuldigte sie ihn. „Vielmehr wollten Sie mich in Verlegenheit bringen.“
„Und das ist mir ja auch gelungen.“
„Da müssen Sie jetzt aber stolz sein!“
„Hören Sie, Sie behaupten doch, Sie wollen, dass Boyd Butler Sie in den Ehehimmel entführt. Ich dachte, das hieße, Sie seien an allen Aspekten der Paarung interessiert.“
„Was hat die Paarung zweier Pferde mit meiner Zuneigung zu Leutnant Butler zu tun?“
„Liebe ist nicht immer nur Wohlgeruch und Magie. Sie zeigt auch eine körperliche Seite, und die hat nichts zu tun mit zärtlichen Gefühlen, flatternden Herzen und sentimentaler Poesie.“
„Hoffen Sie etwa, ich würde dies alles so abstoßend finden, dass ich sämtliche Illusionen bezüglich Leutnant Butler verliere?“ „Selbstverständlich nicht. Mein Ziel besteht nur darin, zu erreichen, dass aus Ihrer Liebesgeschichte der Briefe eine Liebesgeschichte der Wirklichkeit wird. Doch an Selbstbetrug glaube ich nicht. Sie sollten genau wissen, worauf Sie sich einlassen.“ „Leutnant Butler ist kein Tier. Er würde niemals ...“
„Glauben Sie mir, meine Liebe - er würde! Macht Ihnen das Angst?“
Im Moment ängstigte es sie mehr, dass sie nur daran zu denken vermochte, wie Jamies Hände sie berührten und wie er sie liebte.
Insgeheim entschuldigte sie sich damit, dass er auch der Einzige war, der sie jemals berührt hatte. Bislang. „Sollte es mir Angst machen?“
„Nein.“
„Gut. Denn im Gegensatz zu Ihnen glaube ich nämlich an die Magie der Liebe. Sie ist genau das, was uns über die Tiere erhebt.“ „Dennoch paaren wir uns auf eine Weise, die sich nicht wesentlich unterscheidet von der einer brünstigen Stute und einem heißblütigen Hengst.“
Abigail dachte über das eben Gesehene nach.
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