Calhoun Chronicles 03 - Die Schoene Tochter Des Senators
sich Abigail Cabot verpflichtet fühlte, hatte einen ganz anderen Grund. Er wollte der jungen Frau dazu verhelfen, sich ihren Herzenswunsch zu erfüllen. Erfolg würde die Leere nie ausgleichen, doch darauf hoffte Jamie auch schon seit Jahren nicht mehr. Wiedergutmachung gehörte nicht zum politischen Geschäft, doch das war alles, was er erwarten konnte.
Die Stimmen der Damen, die lachten, sich ankleideten, sich frisierten und parfümierten, riefen Erinnerungen wach an einen fernen Ort und eine längst vergangene Zeit, da ihn noch der goldene Schleier der Glückseligkeit umwehte. Er hatte seine Seele einer arabischen Prinzessin geschenkt, ohne an die Konsequenzen zu denken, bis es zu spät war.
Die Geräusche im Nebenzimmer wurden immer lauter, bis endlich die Tür geöffnet wurde. Jeder Muskel und jeder Nerv in seinem Körper spannte sich an.
Madame erschien als Erste; ein übereifriger Ausdruck lag auf ihrem Gesicht, und ein Maßband hing um ihren Hals. „Sie ist eine wahre Herausforderung“, klagte sie auf Französisch, „und sie stellt all meine Fähigkeiten auf die Probe - von meiner Geduld gar nicht zu reden.“ Dann zwinkerte sie Jamie zu. „Doch ich habe mich selbstverständlich durchgesetzt. Wie immer. Wir bringen uns schon selbst hinaus.“ Sie nickte ihm hoheitsvoll zu, sammelte ihre Assistentinnen ein und ging voraus die Treppe hinunter.
Als Nächste erschien Helena, die sich die Tränen von ihren makellosen Wangen tupfte.
Jamie zuckte zusammen. Anscheinend waren Madames Bemühungen doch nicht sehr erfolgreich gewesen.
„Schauen Sie mich nicht so an“, flüsterte Helena. „Ich weine doch Freudentränen, Sie Dummkopf!“
In einer Wolke von Blumenduft trat schließlich Abigail in den Raum. Jamie hätte geschworen, dass sich der Boden unter seinen Füßen bewegte.
Er hatte ja schon immer vermutet, dass ihr ungepflegtes Haar und die eher schlampige Kleidung ihr höchst beeindruckendes Aussehen verbargen, und er hatte gehofft, dass Madames Fähigkeiten gleich einem Juwelenschleifer bei einem Rohdiamanten die verborgenen Facetten der Schönheit und des Feuers ans Tageslicht förderten. Doch auch nicht in seinen wildesten Fantasien hatte er eine Verwandlung erwartet, die so dramatisch war wie die, welche er jetzt vor sich sah.
Madame Broussard hatte einen Zauberstab geschwungen und damit Abigails verborgene Schönheit an die Oberfläche geholt, wobei sie jeden nur möglichen Vorzug zur Geltung gebracht hatte.
Der nachlässig geflochtene Zopf war zu einem glänzenden Krönchen geworden. Ein kräftig weinrotes Gewand ließ ihre Haut strahlen, und Madame hatte auch Abigails Augen und den Mund verschönert; den Lippen hatte sie üppige Farbe und den Augen ein dunkles Mitternachtsglänzen geschenkt.
Mein Gott - und Abigail hatte einen Hals, einen liebreizenden Schwanenhals, der sich aus einem kunstvollen Dekollete erhob. Eine Taille besaß sie ebenfalls und Schultern, die in ihm das Verlangen weckten, sie einmal zu berühren, um festzustellen, ob die Haut wirklich so samtweich war, wie sie aussah.
Die größte Veränderung war indes mit Abigails Gesicht geschehen, das jetzt Selbstvertrauen ausdrückte, in das sich nur eine winzige Spur Verwunderung mischte.
„Ich werde kein einziges Wort sagen“, versicherte Jamie und hielt eine Hand hoch.
„Warum nicht?“ Abigail legte ihre Hand in die seine, und er musste den dringenden Wunsch unterdrücken, ihre Finger an die Lippen zu führen. Abigails Augen waren ja schon immer unglaublich gewesen, doch nun wirkten sie noch bezwingender, diese großen, eindringlichen Augen, welche die Sterne schauten. Gott, er hätte in ihnen versinken mögen!
„Falls ich jetzt etwas sagte, würde sich das so unzulänglich und so selbstzufrieden anhören, dass Sie mich ohrfeigen würden.“
„Ach ja?“
„Ja, darauf möchte ich wetten.“
„Nun gut, in diesem Fall werde ich Ihr Schweigen akzeptieren.
Butler ist schon erledigt, dachte Jamie; er ist ja der reinste Wackelpudding. Sogar ein Mann von der Navy konnte nicht so beschränkt sein, um nicht zu erkennen, was Abigail Cabot in Wirklichkeit war. Jamie jedenfalls würde den Leutnant verprügeln, falls der nicht vor dieser Frau auf die Knie fiele.
„Sieh doch nur“, rief Helena aus, die am Fenster stand und den Vorhang zur Seite hielt. „Er ist da!“ Aufgeregt drehte sie sich zu ihrer Schwester um. „Oh, er fährt vierspännig vor. Und er hat seine Galauniform an. Schau doch nur! Willst du ihn dir nicht
Weitere Kostenlose Bücher