Calibans Krieg
…«
Er deutete auf das Knie. Es war geschwollen, aber nicht so schlimm wie erwartet. Er hatte angenommen, es müsse mindestens doppelt so groß sein wie normal, doch die entzündungshemmenden Mittel, die er automatisch bekommen hatte, erfüllten ihren Zweck. Amos nickte, legte Prax eine Hand auf das Brustbein und schob ihn auf das Gel zurück.
»Ich habe einen Zeh, der manchmal ausgerenkt wird«, erklärte Amos. »Es ist nur ein kleines Gelenk, aber wenn es bei starkem Schub im falschen Winkel steht, tut es höllisch weh. Nicht verkrampfen, Doc.«
Amos beugte Prax’ Knie zweimal und spürte, wie das Gelenk knirschte. »Das ist nicht so schlimm. Strecken Sie mal das Bein aus. Gut.«
Amos legte eine Hand auf Prax’ Fußgelenk, stemmte die andere gegen die Bettkante und zog langsam, aber unwiderstehlich. Prax’ Knie explodierte fast vor Schmerzen, dann gab es abermals ein dumpfes, feuchtes Knacken, und er hatte das Übelkeit erregende Gefühl, dass Sehnen über Knochen rutschten.
»Das hätten wir«, erklärte Amos. »Lagern Sie das Bein richtig, wenn wir wieder Schub geben. Wenn Sie es noch einmal überstrecken, reißt Ihnen die Kniescheibe ab.«
»Alles klar.« Prax wollte sich aufsetzen.
»Es tut mir leid, dass ich das machen muss, Doc.« Amos legte ihm eine Hand auf die Brust, um ihn wieder auf die Pritsche zu drücken. »Ich meine, Sie hatten sowieso schon einen miesen Tag und so weiter. Aber Sie wissen ja, wie das ist.«
Prax runzelte die Stirn. Alle Muskeln im Gesicht taten weh.
»Was ist denn …«
»Dieser Mist, den man über Sie und das Kind erzählt. Das ist doch nur Mist, oder?«
»Natürlich«, versicherte Prax ihm.
»Weil, Sie wissen schon, manchmal passiert etwas, was man eigentlich gar nicht will. Man hat einen schweren Tag, und dann platzt einem der Kragen oder so. Oder, verdammt auch, man trinkt sich einen an. Manche Sachen, die ich gemacht habe, wenn ich mich besoffen habe, hat man mir erst hinterher erzählt.« Amos lächelte. »Ich meine einfach nur, wenn ein kleines Körnchen Wahrheit darin ist, etwas, das jetzt maßlos übertrieben wird, dann sollten wir es wissen, nicht wahr?«
»Ich habe das, was sie behauptet, nie getan.«
»Es ist schon gut, Sie können mir ruhig die Wahrheit sagen, Doc. Manchmal tut man eben etwas. Das macht einen Mann nicht unbedingt böse.«
Prax stieß Amos’ Hand weg und richtete sich auf. Das Knie fühlte sich schon viel besser an.
»Doch«, widersprach er. »Das ist böse. Jawohl, es ist böse.«
Amos’ Miene entspannte sich, und er lächelte auf eine Art und Weise, die Prax nicht verstand.
»Alles klar, Doc. Wie ich schon sagte, es tut mir sehr leid. Aber ich musste das einfach fragen.«
»Schon gut«, antwortete Prax, während er aufstand. Im ersten Moment hatte er das Gefühl, das Knie werde einknicken, aber das geschah nicht. Er machte einen zögernden Schritt, dann noch einen. Es funktionierte. Er wandte sich zur Messe, doch die Unterhaltung war noch nicht vorbei. »Wenn ich es getan hätte, wenn ich diese Dinge getan hätte, wäre das für Sie in Ordnung gewesen?«
»Verdammt, nein. Ich hätte Ihnen den Hals umgedreht und Sie durch die Luftschleuse hinausgeworfen.« Amos klopfte ihm auf die Schulter.
»Ah.« Prax verspürte ein wenig Erleichterung. »Danke.«
»Gern geschehen.«
Die anderen drei waren schon in der Messe, als Prax und Amos kamen, doch der Raum erweckte immer noch den Eindruck, höchstens zur Hälfte besetzt zu sein. Weniger sogar. Naomi und Alex saßen einander gegenüber am Tisch. Sie sahen bei Weitem nicht so mitgenommen aus, wie Prax sich fühlte. Holden drehte sich mit Hartschaumschalen in beiden Händen um. Die braune Suppe roch nach warmer Erde und gekochten Blättern. Sobald er den Geruch wahrnahm, bemerkte Prax seinen Heißhunger.
»Linsensuppe?«, fragte Holden, als Prax und Amos sich links und rechts neben Alex setzten.
»Wundervoll«, stimmte Prax zu.
»Ich nehme nur ein bisschen Nährpampe«, erklärte Amos. »Von Linsen bekomme ich Blähungen, und ich bin nicht scharf darauf, dass mir der Darm platzt, wenn wir das nächste Mal beschleunigen.«
Holden stellte vor Prax eine Schale ab und gab Amos eine weiße Schlauchverpackung mit einem schwarzen Plastikventil am Ende. Dann setzte er sich neben Naomi. Sie berührten einander nicht, aber die Verbindung zwischen ihnen war unverkennbar. Er fragte sich, ob Mei je den Wunsch gehabt hatte, dass er sich mit Nicola aussöhnte. Das war jetzt natürlich nicht mehr
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