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Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End

Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End

Titel: Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Worth
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von Vernachlässigung und Unwissenheit. Bei den Damen der Gesellschaft machten Ärzte zwar Hausbesuche, doch das war kaum mehr als eine gesellschaftliche Angelegenheit, denn kein Mediziner war zur pränatalen Vorsorge ausgebildet.
    Der Pionier der Geburtsmedizin war ein gewisser Dr. J. W. Ballantyne von der Universität Edinburgh. (Offenbar ist Edinburgh Schauplatz vieler der größten medizinischen Fortschritte.) Ballantyne veröffentlichte im Jahr 1900 einen Fachartikel, in dem er den katastrophalen Rückstand auf dem Gebiet der pränatalen Pathologie beklagte und auf die Notwendigkeit von Krankenhäusern speziell für Schwangere drang. Durch eine anonyme Spende von 1000 Pfund konnte 1901 das allererste für Schwangerenvorsorge bestimmte Bett seiner Bestimmung übergeben werden, und zwar im Simpson Memorial Hospital . (Auch Simpson war Schotte und hatte Narkosemittel entwickelt.)
    Man mag kaum glauben, dass es das erste derartige Krankenhausbett der zivilisierten Welt war. Die Medizin entwickelte sich in raschem Tempo. Es war gelungen, Staphylokokken zu isolieren. Auch der Tuberkuloseerreger war bekannt. Man verstand, wie Herz und Kreislauf funktionieren. Man erhielt Klarheit über die Funktionen von Leber, Nieren und Lunge. Anästhesie und Chirurgie machten rasende Fortschritte. Doch offenbar fiel niemandem ein, dass pränatale Vorsorge nötig sei, um Leben und Gesundheit der Schwangeren und ihres Kindes zu erhalten.
    Erst zehn Jahre später, 1911, wurde die erste Praxis zur Schwangerenvorsorge in Boston, USA , eröffnet. 1912 öffnete eine weitere im australischen Sydney. Dr. Ballantyne musste bis 1915 warten, bis endlich, 15 Jahre nach seinem bahnbrechenden Artikel, eine Vorsorgepraxis für Schwangere in Edinburgh eröffnet wurde. Er selbst hatte, wie andere Geburtsmediziner auch, gegen heftige Ablehnung von Kollegen und Politikern anzukämpfen, die die Schwangerenvorsorge als sinnlose Angelegenheit betrachteten, bei der öffentliche Mittel und wertvolle Zeit von Medizinern verschwendet wurden.
    Gleichzeitig machte der Kampf der Frauen, die mit ganzem Einsatz ihre Vision einer geregelten Ausbildung für Hebammen verfolgten, weiter Fortschritte. Schon Dr. Ballantyne hatte es schwer, doch mehr noch hatten diese Frauen zu erdulden. Man muss sich vorstellen, wie es ist, mit geradezu bösartiger Gegenwehr konfrontiert zu sein: Man belächelte und beschimpfte sie, verlachte sie und stellte ihre Intelligenz, ihre Integrität und ihre Motive infrage. Damals riskierten Frauen sogar, für ihre Ansichten entlassen zu werden. Und auf diese Haltung stießen sie nicht nur bei Männern, sondern auch bei Frauen. So wurden Auseinandersetzungen zwischen Krankenschwestern mit ein wenig Geburtshilfeausbildung, die unterschiedliche Lehrmeinungen vertraten, besonders heftig geführt. Eine angesehene Figur, die Oberschwester des St Bartholomew’s Hospital, brandmarkte die engagierten Hebammen als »Anachronismus, den man in der Zukunft als Kuriosum der Geschichte betrachten wird«.
    Die Gegenwehr in Medizinerkreisen gründete sich offenbar im Wesentlichen auf die Ansicht, dass »Frauen zu sehr danach streben, sich in alle Bereiche des Lebens einzumischen«. * Geburtsmediziner bezweifelten, dass Frauen genügend Intelligenz besaßen, um anatomische und physiologische Gegebenheiten im Zusammenhang mit Entbindungen zu begreifen, und folgerten, dass sie daher auch nicht ausgebildet werden könnten. Doch die eigentliche Wurzel ihrer Befürchtungen war … raten Sie mal … richtig: Geld (leider gibt es hier keinen Preis für Schnelligkeit zu gewinnen). Die meisten Ärzte nahmen üblicherweise eine Guinea ** pro Entbindung. Es sprach sich herum, dass ausgebildete Hebammen sie unterbieten und Babys schon für eine halbe Guinea zur Welt bringen würden! Die Messer waren gezückt.
    In den 1860er-Jahren schätzte der Rat der Geburtsmediziner, dass rund zehn Prozent der jährlich 1.250.000 Geburten in Großbritannien durch einen Arzt begleitet wurden. Einige Forscher gingen sogar von nur drei Prozent aus. Somit wurde der gesamte Rest – weit mehr als eine Million werdende Mütter pro Jahr – von Frauen ohne Ausbildung oder von niemand anderem als ihren Freundinnen oder Verwandten betreut. In den 1870er-Jahren schrieb Florence Nightingale ihre Introductory Notes on Lying-In Institutions *** , machte auf das »völlige Fehlen jeglicher Form von Ausbildung in jeder der bestehenden Institutionen« aufmerksam und nannte es »eine Farce oder

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