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Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End

Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End

Titel: Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Worth
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blutverschmiert. Sein erster Gedanke war, dass jemand eingebrochen sein müsse, der sie angegriffen habe, doch nichts wies auf einen Einbruch hin, und die tiefe Bewusstlosigkeit, ihr rasselnder Atem und der pochende Herzschlag, den er durch ihr Nachthemd hindurch spüren konnte, verrieten ihm, dass etwas sehr Ernstes geschehen war.
    Das Krankenhaus schickte auf seinen verzweifelten Anruf hin sofort einen Rettungswagen. Auch ein Arzt kam, denn Davids Schilderung deutete auf das Schlimmste hin. Margaret wurde mit Morphin sediert, bevor die Sanitäter sie forttragen durften.
    Wir sollten ein Einzelzimmer vorbereiten, um einen möglichen Fall von Eklampsie aufnehmen zu können. Ich war noch im sechsten Monat meiner Ausbildung zur Hebamme, die Stationsschwester zeigte mir und einer anderen Schülerin, was zu tun war. Das Bett wurde ganz an die Wand geschoben und die verbleibende Lücke mit Kissen ausgestopft. Das Kopfende wurde mit weiteren Kissen gepolstert und fest mit Bettlaken bezogen. Ein Sauerstoffgerät, ein Mundkeil und ein Tubus lagen bereit, außerdem eine Absaugpumpe. Das Fenster wurde mit einem dunklen Tuch verhängt, das das Licht weitgehend abhielt.
    Margaret war bei ihrer Aufnahme tief bewusstlos. Ihr Blutdruck war so hoch, dass der systolische Wert über 200 und der diastolische bei 190 lag. Sie hatte eine Körpertemperatur von 40 ° C und einen Puls von 140. Eine Urinprobe wurde per Katheter entnommen und getestet. Der Eiweißgehalt war so hoch, dass der Urin beim Erwärmen fest wie ein gekochtes Ei wurde. Es gab keinen Zweifel an der Diagnose.
    Eklampsie war – und ist immer noch – ein seltenes und geheimnisvolles Krankheitsbild während der Schwangerschaft, dessen Auslöser unbekannt ist. Für gewöhnlich gibt es vor dem Ausbruch Warnzeichen, eine sogenannte Präeklampsie, die sich behandeln lässt. Bei ausbleibender Behandlung kann sich eine Eklampsie entwickeln. Nur sehr, sehr selten tritt sie bei völlig gesunden Frauen ohne Warnung auf, dann kann sie sich innerhalb weniger Stunden bis zum Krampfstadium fortentwickeln. In diesem Stadium ist die Schwangerschaft nicht mehr stabil und es besteht nur geringe Wahrscheinlichkeit, dass der Fötus überlebt. Die einzige Möglichkeit ist eine sofortige Entbindung per Kaiserschnitt.
    Der OP war in Bereitschaft versetzt worden und konnte Margaret sofort aufnehmen. Das Baby war bei der Entbindung bereits tot und Margaret kam zurück auf Station. Sie erlangte nie wieder ihr Bewusstsein. Sie blieb stark sediert in dem abgedunkelten Zimmer, dennoch hatte sie wiederholt Krampfanfälle, die mitzuverfolgen schrecklich war. Auf ein leichtes Zucken folgten heftige Krämpfe aller Muskeln des Körpers. Ihr ganzer Körper wurde steif, der Spasmus bog ihn nach hinten ganz durch, sodass etwa zwanzig Sekunden lang nur ihr Kopf und ihre Fersen das Bett berührten. Die Atmung setzte aus, sie wurde blau vor Sauerstoffmangel. Schon bald war die Versteifung vorbei, darauf folgten heftige Krampfbewegungen und Spasmen ihrer sämtlichen Gliedmaßen. Es war schwer, sie davor zu bewahren, sich selbst zu Boden zu schleudern, und völlig unmöglich, den Mundkeil an seinem Platz zu halten. Unter heftigen Kieferkrämpfen zerbiss sie sich ihre Zunge. Sie produzierte Unmengen Speichel und hatte Schaum vor dem Mund, der sich mit dem Blut ihrer zerfetzten Zunge mischte. Ihr Gesicht war geschwollen und ihre Züge schrecklich verzerrt. Dann ließen die Krämpfe nach, sie fiel in ein tiefes Koma, das etwa eine Stunde anhielt, bis der nächste Krampfanfall folgte.
    Diese fürchterlichen Anfälle traten etwas länger als sechsunddreißig Stunden immer wieder auf, und am Abend des zweiten Tages starb sie in den Armen ihres Mannes.
    All das schoss mir in den wenigen Sekunden an der Spüle durch den Sinn, als ich mir Sallys Urinprobe ansah. David. Was war bloß aus dem armen Mann geworden? Er hatte sich halb blind, halb verrückt und taub vor Schmerz aus dem Krankenhaus geschleppt. Es ist traurig, dass man in der Krankenpflege, und vor allem im Krankenhaus, mit Menschen während einiger der tiefgreifendsten Momente ihres Lebens zu tun hat und ihnen dann nie wieder begegnet. Dass sich David weiter auf der geburtsmedizinischen Station herumtrieb, wo seine Frau gestorben war, nur um die Schwestern zu beruhigen, war ausgeschlossen. Ebenso wenig konnte ihm das Krankenhauspersonal hinterherlaufen, um herauszufinden, wie er sein Erlebnis bewältigte. Ich erinnerte mich mit Dankbarkeit daran, was er zu mir

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