Callboys - Die Schönen der Nacht
des Wagens, der auf uns aufgefahren war, hatte die Aufregung Herzbeschwerden ausgelöst, und sie war in einem Krankenwagen weggebracht worden. Ich konnte nur hoffen, dass ich sie nicht am Ende in meinem Leichenwagen wieder aus dem Krankenhaus abholen musste.
Der Van war zwar ramponiert, fuhr aber noch, und wir schafften es zurück zur Firma, wo Jared unsere Fracht auslud, während ich schon hineinging, um mit Shelly die Termine für den Nachmittag zu besprechen. Die Familie hatte schon viermal angerufen, zum letzten Mal wenige Minuten vor unserer Rückkehr. Obwohl ich ihre Sorge verstand und generell viel Verständnis für die Hinterbliebenen hatte, war ich doch ziemlich irritiert, dass sie so beharrlich waren, zumal sie nicht wussten, dass wir in einen Unfall verwickelt gewesen waren.
Ich rief sie von meinem Telefon im Büro aus zurück, während ich meine zerrissene Strumpfhose auszog und auf meinen Drehstuhl sank, um in der Schreibtischschublade nach einer Schmerztablette zu suchen „Mrs. Parker, ich muss mich für die Verzögerung entschuldigen, mit der ich mich bei Ihnen melde …“
Mrs. Parker, die mir am Morgen noch wie eine einigermaßen vernünftige Frau erschienen war, war augenscheinlich inzwischen von einem wütenden Dämon besessen. Ohne mich überhaupt zu Wort kommen zu lassen, faltete sie mich nach allen Regeln der Kunst zusammen, äußerte sich abfällig über meine Professionalität, kritisierte meine Kleidung und legte mir nahe, ihr einen Rabatt auf den besten Sarg zu gewähren, den ich im Angebot hatte.
Und all das, weil ich mich verspätet hatte?
„Mrs. Parker, ich verstehe, dass Sie verärgert sind, und es tut mir sehr leid. Etwas Unerwartetes ist mir dazwischengekommen, und aus diesem Grund war es mir nicht möglich, unseren Termin um ein Uhr einzuhalten. Aber seien Sie versichert, dass wir uns um Ihre Schwiegermutter kümmern. Ich habe für den Rest des Tages alle Termine abgesagt. Also kann ich Sie treffen …“
„Nun, wir können Sie nicht treffen“, schrie sie durchs Telefon. „Wir haben Pläne fürs Abendessen!“
Nachdem sie kurz zuvor volle fünf Minuten damit verbracht hatte, herumzuschimpfen und in mein Ohr zu schreien, wie wichtig es für uns alle war, uns so bald wie möglich um die Sache zu kümmern, verschlug es mir für eine weitere Minute die Sprache.
Sechzig Sekunden Schweigen können sich anfühlen wie eine volle Stunde.
„Ich entschuldige mich“, erklärte ich ihr schließlich. „Ich kann Sie gerne treffen, wann immer es Ihnen passt.“
Nachdem sie sich einige Momente mit jemandem im Hintergrund beraten hatte, kam sie wieder ans Telefon. „Heute Abend, sieben Uhr. Und es sollte besser nicht länger als eine Stunde dauern. Im Fernsehen kommt heute meine Lieblingssendung.“
Ich hatte mir schon viele Male auf die Zunge beißen müssen, um meine bissigen Kommentare zurückzuhalten, doch dieses Mal tat mir mein Kiefer zu weh. „Es wird genau so lange dauern, wie Sie brauchen, um die nötigen Entscheidungen darüber zu treffen, auf welche Weise wir alles für Ihre Schwiegermutter arrangieren sollen, Mrs. Parker.“
Dieses Mal war die Stille nicht weniger laut als vorher, aber sie dauerte nicht so lange, denn Mrs. Parker legte einfach auf.
Was für ein Miststück.
Ich ließ meinen Kopf auf die Arme sinken und hoffte, dass das Ibuprofen, das ich trocken geschluckt hatte, sich in meiner Kehle endlich auflöste und anfing zu wirken, denn die Schmerzen wurden immer stärker.
„Grace?“
Als ich aufschaute, stand Shelly mit einem Becher Kaffee und einem Teller dieser verdammten Kekse in der Tür. „Geht es dir gut?“, erkundigte sie sich.
Wut kann, ebenso wie Läuse, überraschend große Entfernungen zwischen zwei Personen zurücklegen.
„Sehe ich aus, als ginge es mir gut?“
Als sie meinen barschen Ton hörte, ging ein Ruck durch ihren Körper, und sie brachte mir den Kaffee an den Schreibtisch. „Soll ich bei der Versicherung anrufen?“
Ich machte keine Anstalten, nach dem Kaffee zu greifen. „Das wäre eine gute Idee. Schaffst du das?“
Oh, das war gemein.
Shelly zuckte noch heftiger als zuvor zusammen, richtete sich dann auf und krallte sich mit einer Hand vorne an ihrem Pullover fest. „Ja. Natürlich.“
„Dann mach es bitte.“ Ich hatte das „Bitte“ hinzugefügt, doch dadurch wurde mein Ton nicht sanfter.
Ohne ein weiteres Wort verließ Shelly mein Büro. Ich hätte mich nach meinem Auftritt schlecht fühlen sollen, aber ich war
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