Callboys - Die Schönen der Nacht
Hintergrund.
Ehe ich es recht bemerkte, war sein Auftritt zu Ende, und es war Zeit zu gehen. Jack und Sarah umarmten mich zum Abschied gleichzeitig und nahmen mich zwischen sich, bis ich sie beide lachend wegscheuchte. Sie gingen, und ich wartete auf Sam, der noch damit beschäftigt war, seine Gitarre zu verstauen.
Als er zu mir kam, saß ich an der Bar. Er bestellte ein Bier, doch ich streckte die Hand vor, um zu verhindern, dass er nach der Flasche griff. „Du musst noch fahren.“
Sam löste meine Finger von seinem Handgelenk und nahm die Flasche. „Ich bin völlig nüchtern. Lass mich nur noch dieses eine trinken, dann gehen wir. Es ist spät.“
Es war spät und eine jener Nächte, in denen ich vermutlich in den frühen Morgenstunden eine Todesnachricht bekommen würde, ganz einfach weil ich nicht zur üblichen Zeit schlafen gegangen war. Das war häufig so. Dennoch beunruhigte mich Sams Verhalten.
„Ich denke, du solltest nichts mehr trinken, Sam.“
„Nun“, erwiderte Sam, „zu dumm, dass du nicht ich bist.“
Ich blinzelte und zog meine Hand zurück. Gleichzeitig rückte ich von ihm ab, sodass zwischen unseren beiden Barhockern eine Lücke entstand. Sam stützte sich mit den Ellenbogen auf die Bar und hob die Bierflasche an den Mund.
„Wie viele hattest du schon?“
Er schaute mich nicht an. Er antwortete mir auch nicht. Ich wartete, aber er sagte nichts, ignorierte mich einfach. Mir gingen ein Dutzend Erwiderungen auf sein Schweigen durch den Kopf, aber keine davon schien den Ärger wert zu sein. Stattdessen stand ich auf, legte ein paar kleine Scheine für meine Getränke und das Trinkgeld auf die Bar, und dann ging ich weg.
Sam holte mich draußen auf dem Bürgersteig ein. Ich hatte gegen den heftigen Herbstwind meinen Jackenkragen hochgeschlagen, aber Sam hatte keine Jacke. Er schauderte und schlenkerte seinen Gitarrenkoffer gegen mein Bein. Es hatte nicht wehgetan, aber ich vergrößerte mit einem strafenden Blick den Abstand zu ihm.
„Komme ich mit zu dir?“, erkundigte er sich.
„Das weiß ich nicht“, erwiderte ich kühl. „Kommst du?“
„Wenn du es möchtest.“
„Du kannst mitkommen, wenn du willst“, stieß ich durch meine enge Kehle hervor. Während ich auf das Parkhaus zuging, hatte ich das Gefühl, als würde ich in meinem Bauch einen Haufen Steine herumschleppen.
Wir würden einen Streit haben, und es gab nichts, was ich dagegen tun konnte. Das wusste ich so sicher wie irgendwas. Die Spannung hing zwischen uns in der Luft wie eine Leine voller nasser Wäsche, die jeden Moment reißen konnte.
Dennoch machte Sam auch dieses Mal einen Rückzieher. Er küsste mich auf die Wange und legte den Arm um mich. „Dann sehen wir uns bei dir.“
Ich nickte mit unbewegtem Gesicht. „Ich gehe schon ins Bett. Die Tür lasse ich offen. Schließ ab, wenn du kommst.“
„Ja. Okay.“ Sam zögerte, küsste mich wieder und verschwand in der anderen Richtung, wo sein Auto stand. Er hatte auf der State Street geparkt.
Auf dem Heimweg wurden meine Beklemmungen noch größer. Jedes Paar hatte Meinungsverschiedenheiten. Das gehörte zu einer Beziehung dazu. Auch wenn man jemanden liebte, konnte man böse auf denjenigen sein. Das war nichts, worüber man sich Sorgen machen musste. Vielmehr war das, bei Licht betrachtet, ein gutes Zeichen. Es hieß, dass wir uns wohl genug miteinander fühlten, um offen unsere Meinungen und Gefühle auszudrücken.
Verdammt. Ich wollte mich nicht mit Sam streiten. Ich wollte dieses neue, reine Gefühl zwischen uns nicht verlieren. Ich wollte nicht, dass wir einfach nur ein weiteres Paar wurden. Noch nicht.
Zum Teufel, niemals!
Ich duschte und ging zu Bett, doch ohne Sam an meiner Seite konnte ich nicht einschlafen. Ich versuchte, nicht auf die Uhr zu sehen, doch jedes Mal, wenn ich es trotzdem tat, waren wieder ein paar Minuten vergangen. Die Fahrt von Harrisburg zu meinem Haus dauerte vierzig Minuten, und selbst wenn er ein paar Minuten später als ich losgefahren war, hätte er längst da sein müssen.
Ich versuchte, die Bierflaschen zu zählen, die er geleert hatte, war mir aber nicht sicher, ob es vier oder fünf gewesen waren. Er hatte nicht den Eindruck gemacht, als wäre er betrunken, aber er konnte in eine Polizeikontrolle geraten sein. Er konnte einen Unfall gehabt haben.
Mit einem Ruck setzte ich mich im Bett auf und schlug mir die Hand vor den Mund, weil mich plötzlich eine Welle der Übelkeit durchlief.
Oh Gott. Er konnte tot
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