Callista 03 - Planet des Zwielichts
hätte auf Luke hören sollen, dachte sie. Sie hätte sich mehr Zeit für ihre Ausbildung nehmen müssen. Luke würde mit dieser Situation besser fertig werden als sie.
Und Vader natürlich auch.
Keuchend, mit blutenden Fingern und von den scharfen Felskanten aufgerissenen Knien erreichte Leia schließlich den schmalen Grat, der die beiden Gipfel verband und blickte auf die Kanonenstation hinunter.
Aus einer Entfernung von hundert Metern sah sie winzig aus. Ein stumpfer, schwarzer Zylinder ohne Türen und ohne auch nur einen Zentimeter Transparistahl, dicht neben der wuchtigen Felsspitze, die dem Ort ihren Namen gab. Den natürlichen Felsmauern hatte man einige primitive Verteidigungsanlagen hinzugefügt, und das Ganze erinnerte Leia an eine Frau im formellen Senatsgewand mit einem breitkrempigen Hut. Mit einiger Mühe sollte es möglich sein, sich Zugang zu verschaffen, dachte sie. Auch durch diese wie ein Dornengestrüpp wirkenden Aufbauten aus Holz und Metall – sie mußte bloß ihre Decke opfern und in Streifen reißen, um damit das Kabel zu verlängern.
Sie schaffte es, wenn auch mit knapper Not. Von ihrem Standort ganz oben auf dem Felsvorsprung aus warf sie den Haken, und es gelang ihr mit Hilfe des orkanartigen Windes, ihn zwischen den Balken anzubringen. Dann ließ sie das Kabel ein Stück durchhängen, kletterte wieder von dem Vorsprung und stolperte zu der Stelle, wo das mit Streifen von der Decke verlängerte Kabel baumelte und bis auf zwei Meter bis zum Boden reichte.
Seit Leia das letzte Mal eine Wand emporgeklettert war, waren Jahre vergangen. Als sie schließlich eine Höhe von zwanzig Metern erreicht hatte, vom Wind hin und her geworfen, aus mehreren Schürfwunden an den Armen blutend und nach Luft ringend, die heiß in ihren Lungen brannte, spürte sie, wie eine Welle von Benommenheit über ihr zusammenschlug. Jetzt werde ich gleich ohnmächtig, dachte sie.
Sie wickelte sich das Kabel um die Arme, preßte die Stirn gegen den schwarzen Stein und verdrängte den Schwindelanfall mit einer bewußten Willensanstrengung, während der Wind mit eisigen Fingern nach ihr griff. Sie zitterte am ganzen Körper vor Hunger und Müdigkeit. Ich schaffe das nie.
Aber sie schaffte es doch. Als sie oben angelangt war, zog sie das Kabel nach und kroch dann wie eine erschöpfte alte Frau auf das Gewirr abgeschirmter Spulen, Reflektoren und Modulatoren zu, die neben der improvisierten Brustwehr aus dem Boden ragten. Die großen Laserkanonen reckten sich dem Himmel entgegen.
Die Nacht ließ die schwachen Tagessterne strahlend über dem Durcheinander aus Balken und Draht am Himmel aufleuchten und nahm dem Wind etwas von seiner eisigen Brutalität. Leia schnitt die Schlösser der Türen auf, die nach unten in die Station führten, und verbarrikadierte nachher die Türen, so gut sie konnte. Möglicherweise war die Geschützstation, an der es keinen Millimeter Transparistahl gab, von demselben tastenden, mutierenden Ungeziefer verseucht, das sie auf der Treppe von Ashgads Haus angegriffen hatte. Falls das der Fall war, würde sie auf dem Dach schlafen müssen und dort vermutlich erfrieren.
Wenigstens diese Befürchtung erwies sich als unbegründet, dafür gab es aber auf der Treppe Hunderte fingernagelgroßer Drochs. Einige drehten sich im Schein ihres nach unten weisenden Glühstabs und krochen zielbewußt über die Treppenstufen auf sie zu. Leia aktivierte ihr Lichtschwert und tippte sie mit der Spitze an. Jeder Droch, den sie berührte, verbrutzelte und wurde zu einer murmelgroßen schwarzen Kugel. Die anderen krochen, als sie die Treppe hinabstieg, hinter ihr her.
Die Anlagen in der Station waren alt, aber voll funktionsfähig. Die meisten Kanonenspulen waren versiegelt, aber die Steuerorgane lagen offen da, ein einfacher Schaltmechanismus, mit dem man die Zielerfassung von den versiegelten Computern auf Handbetrieb umschalten konnte. Es muß hier doch irgendwelche Lernprogramme geben. Leia schnippte probeweise gegen die Testschalter und studierte die Displays. Die Zielerfassung war elementar einfach. Aber jemand, der nicht über die erforderliche Ausbildung verfügte, hätte sie dennoch nicht bedienen können. Etwas, das die Lauscher mit ihrer Doktrin weitergeben, die sie von den Stimmen in der Wüste hören? Weshalb sollten sie den Wunsch haben, ankommende und abfliegende Schiffe zu vernichten? Bloß weil sie wollen, daß ihre Welt primitiv bleibt?
Oder gab es noch einen anderen Grund?
Ein scharfer Schmerz
Weitere Kostenlose Bücher