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Calpurnias (R)evolutionäre Entdeckungen

Titel: Calpurnias (R)evolutionäre Entdeckungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacqueline Kelly
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furchteinflößend wirkte wie auf mich. Bestimmt schlägt sie jeden von uns , dachte ich. Gut, Harry vermutlich nicht, aber alle anderen schon. Ich bin also nicht die Einzige. Sieh mal einer an.
    »In zehn Minuten stellt ihr euch in einer Reihe auf«, sagte Miss Brown, »die Jüngsten nach vorn, die Ältesten nach hinten, und so zieht ihr hinter mir her in den Zuschauerraum ein, und zwar ordentlich, ich wiederhole: Ordentlich! Dann setzt ihr euch hinten auf der Bühne auf die Stühle, bis ihr jeweils aufgerufen werdet. Ihr werdet nicht schwätzen, ihr werdet nicht herumhampeln, und schon gar nicht werdet ihr euch gegenseitig schubsen. Habe ich mich klar genug ausgedrückt?« Stummes Nicken allenthalben.
    »Vergesst nicht , nach eurem Vorspiel zu knicksen oder eine Verbeugung zu machen. Mütter: noch zehn Minuten.« Mit diesen Worten drehte sie sich um und rauschte hinaus, nicht ohne sehr gekonnt ihre Schleppe zu raffen. Viola und Mutter fielen wie besessen über mich her und bearbeiteten meine Haare mit Bürsten und Brennscheren. Schließlich traten sie zurück, um ihr Werk zu bewundern.
    »Also wirklich«, sagte Mutter, »bildhübsch siehst du aus. Ich hätte dich gar nicht wiedererkannt. Sieh selbst.« Sie reichte mir einen Spiegel.
    Ich hätte mich auch nicht erkannt, mit diesem kunstvollen schwankenden Aufbau auf meinem Kopf. Über meiner Stirn erhob sich kühn eine Wand aus Haar, die an den Seiten verspielter wurde, mit drei Strähnen über jeder Schläfe. Den Hinterkopf betonte eine Kaskade dicker Locken, die schwer auf meinen Rücken flossen. Dieses Wunderwerk wurde von der größten rosa Seidenschleife der Welt gekrönt. Mutter und Viola sahen sehr zufrieden aus. Was ich davon hielt, danach fragten sie erst gar nicht, und so musste ich ihnen auch nicht sagen, wie ich es fand … nämlich schrecklich.
    »So hübsch siehst du aus, nicht wahr?«, fragte Mutter.
    Meine Hand ging nach oben.
    »Nicht anfassen«, warnte mich Viola. »Bloß nicht!« Sie packte sämtliche Utensilien zusammen, während Mutter eine Unterhaltung mit Mrs. Gates begann.
    Ich schlich zu Lula hinüber und flüsterte ihr zu: »Hallo, Lula, geht’s dir gut?«
    Sie sah mich nur mit ihren riesengroßen, haselnussbraunen Augen an und nickte; reden tat sie nicht – konnte sie nicht. Neidvoll bemerkte ich, dass sie irgendwelchen drastischen Zuwendungen weiblicher Friseurkunst entgangen war. Ihr helles silberblondes Haar hing ihr in zwei adretten Zöpfen über den Rücken. Ich versuchte, sie mit Scherzen aus ihrer Panik zu lösen. »Lula, hast du gesehen, was sie mit meinen Haaren angestellt haben! Grauenvoll, findest du nicht?« Lula presste die Lippen weiter aufeinander. Sie atmete mit einem langen, bebenden Atem durch die Nase. Es kam mir so vor, als hätte sie mit einem Mal ihr Englisch verlernt.
    »Lula«, sagte ich, »du schaffst das schon. Du hast das Stück doch eine Million Mal gespielt. Atme tief durch. Und wenn das auch nicht hilft, na ja, dann hast du immer noch deinen Eimer.«
    Ich sah mich um. Harry stand in der Ecke vor einem Spiegel, tat sich Lavendelpomade in die Haare und zog sich mit dem Kamm sorgfältig den Scheitel neu, ein ums andere Mal. Nie zuvor hatte ich beobachtet, dass er sich solche Mühe mit seinem Aussehen gegeben hatte. Als ältester Schüler spielte er als Letzter, doch er musste auf der Bühne sitzen und uns alle ertragen, bis er selbst an der Reihe war.
    Miss Brown kehrte zurück, und unsere Mütter gaben uns noch schnell letzte Ermahnungen mit auf den Weg, bevor sie hinauseilten. Meine letzte geflüsterte Ermahnung kam von Viola: »Und rühr bloß deine Frisur nicht an! Wehe!« Stumm reihten wir uns auf. Niemand schwätzte, niemand hampelte, niemand schubste. Harry zwinkerte mir noch einmal von seinem Platz am Ende der Reihe zu. Lula stand bebend vor mir, selbst die Spitzen ihrer Zöpfe zitterten.
    »Lula«, sagte Miss Brown mit strenger Miene, »du musst diesen Eimer wegstellen.« Lula rührte sich nicht. »Calpurnia, nimm ihr den Eimer weg.« Ich tippte Lula auf die Schulter und sagte. »Gib her, Lula. Es wird Zeit.« Sie sah mich flehentlich an. Schließlich löste ich den Eimer aus ihren feuchten Händen.
    »Kinder, jetzt ist euer bestes Benehmen gefordert«, sagte Miss Brown. »Kinn vor , Brust raus .«
    Dann öffnete sie die Seitentür zum Zuschauerraum, und wir marschierten hinter ihr her. Hinter der Tür empfing uns ein Geräusch, das wie prasselnder Regen auf einem Blechdach klang, doch es war Applaus,

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