Cambion Chronicles 1
Ross starrte trotzig zu seinem jüngsten Sohn hoch. »Du weißt, dass das nie aufhört. Nicht, bevor ich meine Frau habe. Adriane gehört mir. Sie wird immer mir gehören.«
»Adriane ist tot, Dad«, sagte Caleb mit leicht zitternder Stimme. »Sie kommt nicht zurück.«
Mit Tränen in den Augen stürzte sich Mr Ross auf seinen Sohn.
Seine Schulter prallte gegen Calebs Brust, beide schlitterten gegen die Wand, und die Pistole flog Caleb aus der Hand. Kaum schlug die Waffe auf dem Boden auf, überstürzten sich die Ereignisse.
Caleb trat von der Wand weg und hinterließ einen Krater im bröckelnden Putz. Er ergriff Mr Ross und schleuderte ihn auf die gegenüberliegende Seite des Raums. Violette Strahlen kreuzten sich in der Dunkelheit, Vater gegen Sohn, Dämon gegen Dämon.
Bevor Mr Ross sich erholen konnte, folgte schon der nächste Angriff und riss ihn zu Boden. Der Aufprall ließ die Dielen brechen, Zickzacklinien liefen durch das Holz. Mr Ross griff hinter sich und bekam Calebs Kragen zu fassen. Mit einem schnellen Ruck flog Caleb über die Schulter seines Vaters und landete bäuchlings auf dem Boden. Mr Ross kniete sich auf seinen Rücken, eine Hand an seinem Hals.
Die Sirenen und blitzenden Lichter verrieten mir, dass die Polizei eingetroffen war. Da sie für diese Art von häuslicher Gewalt üblicherweise nicht ausgerüstet war, griff ich ein.
»Stopp!«, schrie ich.
Beide Männer sahen mich an.
»Sam, lauf … « Calebs Worte versiegten, ihm fehlte die Luft. Nicht, weil er gerade fast erwürgt wurde, sondern aus reinem Entsetzen. Er riss die Augen auf, seine Lippen öffneten sich, als wolle er mich vor einer Gefahr warnen, die nur er sehen konnte, vor einer Wahrheit, von der er nicht wusste, wie er sie mir mitteilen sollte.
Mr Ross lächelte und kletterte von seinem Sohn herunter. Er stolperte näher, die Bewegungen abgehackt und schwach vom massiven Blutverlust.
Ich ging weiter in den Raum hinein und kam ihm auf halbem Weg entgegen. Ich versenkte meinen Blick in seinen, ohne zu blinzeln, und wandte an, was ich gelernt hatte und was mir schon zur Gewohnheit geworden war.
»Adriane?«, fragte er mit verschwommenem Blick aus tränennassen, fiebrigen Augen.
»Ja.« Ich lächelte.
»Sam, lauf weg!« Caleb versuchte, auf die Füße zu kommen, und rutschte weg.
Männer betraten das Haus, Funksprüche und Befehle hallten von den Wänden wider. Rotierende Lichter verwandelten das Zimmer in ein Kaleidoskop. Aber all das verblasste, und an seine Stelle traten ich, Mr Ross und die Anziehung. Ich streckte die Hände nach ihm aus und umfasste seinen Nacken. Er sah zu mir herunter, in seinen Augen leuchteten Kapitulation und Verlangen. Ich konnte nur ahnen, was er in meinen Augen sah.
Wir täuschen unsere Beute. Wir brauchen keine Schönheit , hatte Nadine gesagt. Mit einem Blick werden wir zu dem, was sie am meisten begehren. Der Körper reagiert und wird zum Sklaven .
Schritte kamen die Treppe herauf, und uns lief die Zeit davon. Wenn es die Chance gab, noch einmal nachzudenken, dann ergriff ich sie nicht. Mit einem tiefen Atemzug lehnte ich mich zu ihm und öffnete weit den Mund.
Gewalt, Wut und Verzweiflung verbanden sich zu einem überwältigenden Zustand des reinsten Chaos. Caleb hatte erzählt, dass die Anziehung Sex blass aussehen ließ. Ich hatte zwar keinen Vergleich, aber nichts hatte meine Seele je in solche Höhen katapultiert wie der Geschmack des Lebens.
Hände versuchten, mich wegzuziehen, Stimmen schrien meinen Namen, aber nichts auf der Welt konnte mich von diesem herrlichen Gefühl trennen. Der Hunger verschlang uns beide, und ich wusste, dass ich nicht zufriedengestellt sein würde, bis ich alles genommen hatte. Der Blutverlust machte Mr Ross schwach und unkoordiniert, und ich ergriff die Gelegenheit beim Schopf. Irgendwie wusste er, wie es enden würde, und das letzte bisschen Menschlichkeit in ihm, der gequälte Mann, der seine Frau vermisste, wollte, dass der Wahnsinn ein Ende hatte.
Seine Wangen sanken ein, winzige Adern traten reliefartig unter seiner Haut hervor. Er verdrehte die Augen, und das violette Leuchten darin zog sich zurück. So viel strömte mit einem Mal auf mich ein, und ich versank in einem Meer aus unendlich vielen Leben, die sich wie elektrische Wellen fortsetzten und überlappten. Meine Knie wurden weich, meine Beine gaben nach. Geräusche, Bewegungen, meine Atmung und sogar meinen Herzschlag gab es nicht mehr. In freiem Fall zog uns die Schwerkraft in den
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