Cambion Chronicles 1
seltsam. Findest du es nicht merkwürdig, dass die Frauen ihm scharenweise hinterherrennen?«
Nadine starrte mich nur an. »Das fragst du ausgerechnet mich ?«
Ich musterte Nadine gründlich von oben bis unten. »Na ja, stimmt, dir laufen die Typen auch scharenweise hinterher, aber du siehst ja auch klasse aus. Hast du dir Caleb mal angesehen? Ich meine, so richtig? Der Typ hat gar keinen Stil, und rasieren tut er sich auch nur alle Jubeljahre.«
Nadine schob grübelnd die Lippen hin und her. »Auf seine schmuddelige Indie-Art ist er schon süß. Er hat einen guten Geschmack bei Büchern. Ich habe gerade das erste Kapitel von dem Buch gelesen, das er empfohlen hat, und ich konnte mich kaum losreißen.«
»Darum geht es nicht. Er ist seltsam.«
»Du willst nur, dass er seltsam ist, damit du ihn nicht mögen musst. Er ist manchmal ätzend und kann sehr stur sein, aber er ist ein guter Kerl, Sam. Ich muss es wissen.«
»Ach ja? Habt ihr nicht eher so eine Art Hassliebe am Start?« Meine Frage kam beiläufig, aber in Wirklichkeit war ich sehr gespannt auf ihre Antwort. Nadine und ich redeten über alles, aber das Thema Caleb Baker war bisher immer mit einem Warnschild und einem Zahlenschloss versehen gewesen.
Wenn die Frage sie schockierte, verbarg sie das vor mir. »Irgendwie schon«, erwiderte sie. »Wir sind einfach Freunde, die aufeinander aufpassen, sofern er mich lässt.«
»Aufpassen sollte man wohl eher auf die Frauen«, sagte ich zweifelnd.
Enttäuscht ließ sie sich wieder hinter den Tresen fallen. »Ihr gebt zu viel der Widerworte.«
Ich spielte mit und antwortete: »Nicht ausreichend, so fürchte ich, auf dass kein Unheil aus seinem Schlummer erweckt werde.«
Sie starrte mich an und schüttelte ehrfürchtig den Kopf. »Du bist selbst so merkwürdig, Sam, und trotzdem machst du dich über meine Gedichte lustig.«
»Heißt das, du hängst nach der Arbeit nicht mit uns ab? Das wird sicher witzig.«
Bevor sie antworten konnte, näherte sich der Fragliche dem Stand mit einem kleinen Berg Cremeeis in der Hand. Beim Anblick von Nadine tippte er sich an eine imaginäre Hutkrempe. »Hi, Nadine.«
Das war die kühlste, unpersönlichste Begrüßung, die ich je gehört hatte, nicht viel mehr als eine Anerkennung der Existenz des anderen.
Nadine erwiderte den Gruß ähnlich leidenschaftslos und begutachtete Calebs neuen Körperpflegezustand mit Argusaugen.
Oh ja, die hatten definitiv was miteinander gehabt. Wahrscheinlich eine dieser modernen europäischen Beziehungskisten. Aber warum machte es mir was aus, dass sie es geheim halten wollten?
Echt jetzt, warum machte es mir was aus?
Ich starrte auf die Eiscreme, die Caleb über die Finger lief, und erschauderte. »Du weißt schon, dass du eine Insulinspritze brauchst, wenn du so weitermachst, oder?«
»Ist es dir unangenehm, dass ich so auf Süßes stehe?« Er stellte die Frage mit so viel ernsthafter Neugier, dass er mich damit überrumpelte.
»Nein. Ich … ich mache mir nur Sorgen um deinen Blutzucker. Ich bin überrascht, dass dir noch nicht die Zähne ausgefallen sind.«
Er verdrehte die Augen. »Danke, Mom, aber mit diesem Nachtisch überbrücke ich nur die Zeit bis zum Abendessen, weißt du?«
Ich hörte Nadine hinter mir prusten.
»Schön, aber wenn du einen Zuckerschock bekommst und ohnmächtig wirst, erwarte nicht, dass ich dir helfe.«
»Gut zu wissen, auf wen man sich verlassen kann, wenn man in der Klemme steckt.« Caleb schlenderte davon, blieb aber stehen, als ich nicht mitkam. »Kommst du?«
Ich ging ihm nach, während Nadines Sticheleien mir um die Ohren schwirrten. »Du magst ihn. Es zuzugeben ist der erste Schritt zur Heilung.«
Als Caleb und ich endlich in Deutschland ankamen, war ich eine Stunde zu spät dran für mein Treffen mit Mia. Ich merkte, dass Caleb weiterwollte und sich fragte, warum ich so trödelte. Er wollte endlich zu den Fahrgeschäften, aber ich musste mich hinsetzen.
Ich ließ mich auf einer Bank in der Nähe der Festhalle nieder. Gelächter, Polkamusik und dicke Schwaden von Biergeruch hingen in der Luft. Ich suchte mit den Augen die unmittelbare Umgebung ab und fand keine Spur von Mia. Ich beschloss, noch fünf Minuten zu warten und sie dann auf dem Handy anzurufen.
Caleb starrte auf mich herab und schaukelte auf den Fußballen vor und zurück. Die Nachmittagssonne knallte ihm auf den Rücken und ließ seine braunen Haare golden auf leuchten.
Ich wischte mir den Schweiß von der Schläfe und platzte
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