Cambion Chronicles 1
ein Polizist dich auffordert, rechts ranzufahren, halte unbedingt an einem Ort, wo viele Menschen sind. In den Nachrichten kam was über einen Mann, der eins dieser Partylichter im Auto hatte und so tat, als sei er ein Polizist mit Blaulicht. Na ja, du willst gar nicht wissen, was mit der armen Frau passiert ist, die er angehalten hat. Die schnappen einen gern in einem Waldstück, wo es keine Häuser oder Gebäude gibt und wo man keine Hilfe holen kann.«
Da war’s also wieder. Es wäre keine richtige Verabschiedung gewesen ohne eine ordentliche Portion Angst zum Abschied. Ich wusste, dass Mom sich Sorgen machte, aber sie musste dringend an ihrem Timing arbeiten. Diese Frau säte Angst in den Herzen aller Nachbarn und Freunde, die mutig genug waren, über unsere Schwelle zu treten. Noch Fragen, woher ich mein misstrauisches Wesen hatte? Ich lebe seit siebzehn Jahren mit dieser Frau unter einem Dach, das musste ja irgendwann abfärben.
»Komm, lass dich drücken.« Sie breitete ihre Arme aus und zog mich an sich.
Während ich versuchte, mir nicht vorzustellen, was mit diesem Opfer passiert war, sagte ich: »Versprochen, ich ruf dich an, sobald ich da bin.«
»Ist gut, Schatz. Hast du einen Pulli?«
»Wir haben Juni.«
»Nur für alle Fälle. Und du hast die Notrufnummer vom Pannendienst?«
»M-hm.«
»Handy aufgeladen?«
»Jawoll.« Ich nickte und machte die Tür auf.
Als ich meinen Koffer zum Auto zog, kam Mom mit einer Flasche Wasser hinter mir hergerannt. »Und sieh zu, dass du genug zu trinken dabei hast. Ich möchte nicht, dass du wegen der Hitze einen Herzanfall bekommst wie diese Frauen im Europia-Park.«
Ich öffnete den Kofferraum und hielt inne. »Was?«
»Vor ein paar Tagen sind im Europia-Park zwei Frauen zusammengebrochen.«
Nachdem ich das Gepäck hineingewuchtet hatte, drehte ich mich zu ihr um. »Wo hast du das gehört?«
»Aber Samara, es war überall in den Nachrichten.«
»Du weißt doch, dass ich mir die nicht ansehe. Außerdem hab ich ja dich für die interessanten Sachen. Also, wann war denn das?«
»Dienstag. Ich dachte, du wüsstest davon. Hast du nichts gesehen, als du dort warst?«
Mein Gedächtnis spulte zurück zum fraglichen Tag. »Ich habe gesehen, wie zwei Frauen zusammengebrochen sind, aber ich dachte, die hätten einfach schlapp gemacht wegen der Hitze.«
»Vielleicht. Aber das führte zu einem Herzinfarkt. Zum Glück haben sie überlebt, aber es geht ihnen nicht gut. Das kann dir in jedem Alter passieren, Samara. Pass also gut auf.«
Mom gab mir das Wasser und umarmte mich noch mal. Obwohl Dad nur eine Stunde entfernt wohnte, tat Mom so, als zöge ich in den Krieg. Ich freute mich kein bisschen auf den fürchterlichen Abschied nächstes Jahr, wenn ich aufs College gehen würde.
Ich kletterte ins Auto, während sie auf der Veranda stand und winkte. Sie lächelte, als sei sie froh, dass ihr Baby seine tägliche Portion Verunsicherung und Paranoia bekommen hatte. Aber in diesem Fall hatte das Misstrauen einen guten Grund. Ein Mädchen kann niemals vorsichtig genug sein, vor allem nicht, wenn es allein ist.
Gegen fünf fuhr ich bei Dad vor. Mr Watkins und Anhang lebten in einer bewachten Wohnanlage am Stadtrand von Richmond. Dad würde nie im Wirtschaftsmagazin Fortune stehen, aber sein Haus machte jedem klar, dass er das nötige Kleingeld hatte. Ich fuhr langsam die Auffahrt hoch und bewunderte dabei die geometrisch gestutzten Büsche und die endlose Rasenfläche.
Dad war gerade dabei, den Kofferraum seines Wagens zu beladen. Er drehte sich um und winkte.
Als ich ausgestiegen war, wurde ich mit einer herzlichen Umarmung begrüßt.
»Hey, mein Püppchen. Noch mal vielen Dank, dass du das machst. Ich weiß, dass es sehr kurzfristig war.«
»Schon okay. Ist ja nichts Persönliches, sondern rein geschäftlich«, murmelte ich an seiner Brust.
Als wir uns voneinander lösten, sah ich Rhonda mit noch mehr Gepäck aus dem Haus kommen. Obwohl sie groß und schlank war, würde man Rhonda in absehbarer Zeit bestimmt nicht auf einem Laufsteg zu sehen bekommen. Sie hatte zwar eine Topfigur, war dafür aber eine echte Gesichtsfünf und schien außerdem gegen jegliches Taktgefühl hochallergisch zu sein.
Zwei hyperaktive Kinder flankierten sie wie kleine Hunde, die um Tischabfälle betteln. Diese munteren Engelchen täuschten alle Arglosen, vor allem ihre Mutter. Kenya, die links stand, bewegte in Rappermanier verächtlich den Kopf hin und her und verdrehte gleichzeitig die
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