Cambion Chronicles 1
und sah nicht weg. »Zum letzten Mal, ich habe niemanden umgebracht. Ich schwöre beim Grab meiner Mutter, ich habe nichts mit dem Tod dieser Frau zu tun.«
»Kann sein, aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis es passiert. Und ich will nicht dabei sein, wenn es so weit ist.« Ich ging davon, stieg in mein Auto und überließ Caleb und seinen willensstarken Mitbewohner sich selbst.
16
I ch war überrascht, als Nadine mir am nächsten Morgen eine SMS schickte.
Sie wollte sich in ihrem Büro mit mir treffen, was unser Geheimcode für den Garten in der Campusmitte des William & Mary war.
Ich joggte die Stufen zur großen Rasenfläche hinunter, auf der die Leute Frisbee spielten und sich in der Sonne rekelten. Als ich quer über den Weg trottete, sah ich Nadine von der anderen Seite kommen. Mit ihrem wallenden blonden Haar und den langen Beinen zog sie die Aufmerksamkeit jedes Mannes im Umkreis eines Häuserblocks auf sich. Bei näherer Betrachtung schien die Vorstellung, dass sie einen Männer anlockenden Geist in sich trug, doch nicht so weit hergeholt. Ich hatte schon immer bemerkt, wie die Männer auf sie reagierten, aber ich hätte die Puzzleteile nie so zusammengesetzt.
Als wir uns in der Mitte trafen, hielt sie mir einen Becher mit etwas Gefrorenem hin. »Ein Friedensangebot.«
»Was ist das?« Ich beäugte den Becher misstrauisch.
»Erdbeerkuchen-Slush mit Vanilleeis-Füllung.« Sie wedelte mit dem Becher vor meiner Nase herum, wohl wissend, dass Slushs meine Leidenschaft waren.
Ich leckte mir die Lippen und fragte: »Willst du mich bestechen?«
»Vielleicht. Wir sollten reden, ja?«
»Allerdings.« Ich riss ihr den Becher aus der Hand. »Caleb hat mir erzählt, was du bist. Warum hast du mir nichts von deinem Leiden gesagt?«
Wenn die Enthüllung sie überraschte, verbarg sie das erfolgreich. »Wir reden nicht darüber. Wir leben einfach damit.«
Ich nickte, weil mir nichts Besseres einfiel. Hätte ich einen Lebenskraft saugenden Geist in meinem Körper, würde ich es auch nicht überall herausposaunen.
Wir fanden einen freien Platz im Gras und setzten uns. Ich sah sie einen Augenblick lang an und versuchte, diese neue Information zu meinem Gesamtbild von Nadine hinzuzufügen. Ich hatte keine Angst vor ihr, aber diese neueste Entwicklung war etwas, an das ich mich erst gewöhnen musste.
Ich setzte mich im Schneidersitz neben sie. »Was ist mit der Frau passiert?«
»Sanitäter haben sie weggebracht«, sagte sie. »Sie sagen, ihr Gewicht hätte den Herzinfarkt verursacht.«
»Glaubst du das?«
»Nein. Es gab Anzeichen für einen Kampf. Etwas hat ihr Angst gemacht.«
»Warum bist du geblieben?«
»Jemand musste mit der Polizei reden. Vielleicht erlaubt Caleb mir jetzt, ihm zu helfen. Ich habe zu lange den Mund gehalten, und das alles gerät langsam außer Kontrolle.« Nadine nahm einen Schluck von ihrem Heidelbeer-Slush. Als könne sie meine Gedanken lesen, stellte sie fest: »Caleb hat der Frau nichts getan. Tief drinnen weißt du das.«
»Aber wer dann? Gibt es hier noch mehr von euch?«
»Ich bin nicht sicher. Aber ich werde es herausfinden.« Nadine runzelte nachdenklich die Stirn.
»Könnte ein anderer Cambion etwas damit zu tun haben?«, fragte ich.
»Möglich, aber so etwas liegt eigentlich nicht in unserer Natur. Es ist nicht gesund, ein ganzes Leben aufzunehmen. Wir nehmen ein bisschen. Ein ganzes Menschenleben verleiht uns große Macht, aber macht uns innerlich kaputt. Man will mehr und wird mit jedem Leben einem Dämon ähnlicher.«
»Was für eine Art von Macht?«
»Hat Caleb dir erzählt, wo diese Geister herkommen, von wem sie abstammen?« Als ich nickte, fuhr sie fort: »Der Geist verwandelt sich wieder in seinen Ursprung zurück und wird ein echter Dämon: unsterblich, unzerstörbar, mit der Fähigkeit, Gedanken zu manipulieren und sich körperlich in alles zu verwandeln, was er will. Aber man selbst verliert seine Menschlichkeit, und die eigene Seele ist für alle Ewigkeit in ihm gefangen.«
Fasziniert beugte ich mich näher zu ihr. »Wie viele Leben müsste ein Cambion aufnehmen, um dieses Stadium zu erreichen? Nur so ungefähr.«
»Ein Menschenleben ist groß und birgt viel Energie. Ich habe gehört, es dauert Wochen, es zu verdauen. Es ist gewaltig. Nach sechs wird wohl der Wandel einsetzen, nach zwölf ist er vielleicht abgeschlossen. Ist natürlich nur eine Schätzung. Der Geist will durch uns wieder vollkommen werden, aber unsere Menschlichkeit macht ihn
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