Cambion Chronicles 1
Ich-prügele-mich-nicht. Und dein Judokurs hat gerade erst angefangen.«
»Den brauche ich nicht, wenn ich das hier habe.« Caleb hob sein T-Shirt hoch und enthüllte den Griff einer Pistole, die in seinem Hosenbund steckte.
Warum überraschte mich das nicht? So war das im Süden, alle Welt hatte eine Waffe. Da Mom mich praktisch auf dem Schießstand großgezogen hatte, machte ich mir nur Sorgen, ob das Kuchenmonster auch mit dem verdammten Ding umgehen konnte. Diejenigen, die sich nicht prügeln wollten, zogen immer als Erste eine Waffe.
Andererseits musste ich zugeben, dass es nichts gab, das deutlicher »einen Schritt zurück, aber dalli« sagte, als eine geladene Waffe. Und genau das tat ich jetzt auch.
»Viel Spaß beim Betreten des Flughafens«, witzelte ich. »Wo hast du die überhaupt her?«
»Brodie hat sie mir gegeben, als er das letzte Mal in den Staaten war.« Als er sah, wie ich langsam zurückwich, ließ er sein T-Shirt wieder über die Pistole fallen. »Keine Sorge. Ich weiß, wie man die benutzt.«
Ich tat, als wischte ich mir Schweiß von der Stirn. »Puh, da bin ich aber beruhigt. Schade nur, dass du sie vorhin nicht benutzt hast, als dein Dad bei der Arbeit auftauchte.«
»Sie war im Auto eingeschlossen, ich kam nicht ran. Mein Dad ist nicht blöd. Er wollte mich aus gutem Grund in der Öffentlichkeit treffen. Ich weiß ja, dass du Angst hast, aber bitte vertrau mir.«
Ich taumelte rückwärts, völlig erschlagen von so viel Frechheit. Ich straffte die Schultern und gab ihm Saures. »Dir vertrauen? Ist das dein Ernst? Seit dem ersten Tag versteckst du die Wahrheit vor mir, und deine kommunikativen Fähigkeiten sind unter aller Sau! Klar willst du nicht, dass jeder mitbekommt, was los ist, und ich weiß es zu schätzen, dass du mich vor dem großen bösen Wolf retten willst, aber du hättest deine Freundin echt mal vorwarnen können, dass dein Dad ein dämonischer Wahnsinniger ist! Ich habe diesen Sommer so viel verrückte Scheiße erlebt, dass mich gar nichts mehr schockt. Und ich bin immer noch hier bei dir, obwohl ich kaum weiß, wer du bist, Mr Baker – wenn das überhaupt dein richtiger Name ist.« Als Zugabe stieß ich ihm meinen Zeigefinger in die Brust.
Er fing meine Hand ab und hielt sie an sein Herz. Die feste und doch sanfte Berührung ließ den Giftstrom aus meinem Mund versiegen.
In seinen Augen glänzten Tränen, aber keine rollte über sein Gesicht. Weinen und Gefühlsausbrüche schienen ihm fremd zu sein.
»Baker war der Mädchenname meiner Mutter. Ich habe ihn aus Protest angenommen, sobald ich achtzehn war, und das machte es ihnen schwerer, mich zu finden. Und du weißt drei Dinge über mich, die wichtig sind: Ich bin nicht wie die meisten anderen, ich habe versprochen, dich zu beschützen, sogar vor mir selbst, und ich liebe dich. Alles andere ist egal.«
Das Wort mit L aus seinem Mund ließ meine Knie weich werden, aber ich blieb hart. Ich schob meine Gefühle einfach beiseite, um mich später damit zu befassen, wenn gerade keine Menschen, die mir wichtig waren, in tödlicher Gefahr schwebten.
Ich zog meine Hand zurück, griff nach meiner Tasche und warf sie über die Schulter. »Ich will jetzt nicht darüber reden. Ich muss zu meiner Mom.«
Er sah zu Boden und nickte. »Aber wir werden darüber reden«, gelobte er, als ich an ihm vorbei aus dem Zimmer rauschte.
26
D ie schlaflose Nacht begann, als ich den Wartebereich betrat und den wütenden Ausdruck auf Dads Gesicht sah.
Mit Ausdrücken, für die er aus der Kirche geworfen worden wäre, klärte er mich darüber auf, wie Mr Peter Marshall, auch bekannt als »der abwesende Opa«, das Krankenhaus beehrt hatte. Ohne einen Blick auf Dad hatte Grandpa mit seinem Ansehen und seinem Geld geprotzt, als hätte er ein Recht darauf, nachdem er siebzehn Jahre lang nichts von sich hatte hören lassen. Als er darauf bestand, dass Mom sich bei ihm zu Hause erholen sollte, ging Dad an die Decke.
Es kam zum längst überfälligen Krach zwischen den beiden. Die über zwei Jahrzehnte angestaute Feindseligkeit führte dazu, dass Personal und Patienten die persönlichsten Dinge zu hören bekamen. Die Wachleute gingen dazwischen, bevor die beiden handgreiflich wurden. Grandpa drohte zum Abschied mit einer Klage und erzählte irgendwelchen Mist von wegen Handlungsvollmacht.
Ich war dankbar, dass ich den Streit verpasst hatte. Ich hatte schon lange niemanden mehr beschimpft, und Grandpa wäre das ideale Ziel für meine Wut gewesen.
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