Cambion Chronicles - Golden wie das Morgenlicht (German Edition)
glatte, makellose mokkafarbene Haut sahen.
Ich wusste nicht, ob es die Wut oder etwas ganz anderes war, aber nun schien er innerhalb von Sekunden um zwanzig Jahre zu altern. »Tja, das Urteilsvermögen deiner Mutter scheint in letzter Zeit etwas getrübt gewesen zu sein. Du erinnerst dich doch wohl noch an den letzten Mann, mit dem sie ausging.« Er sah mich aus schmalen, dunklen Augen an. Das saß.
Natürlich wäre es kein richtiger Streit gewesen, wenn nicht Fehler aus der Vergangenheit zur Sprache gekommen wären. Und Calebs Vater Nathan Ross war ein fataler Fehler gewesen, den ich schließlich eigenhändig vom Angesicht der Erde gefegt hatte.
»Mom geht es gut. Sie kann auf sich aufpassen«, versicherte ich.
»Und was ist mit dir? Dein Männergeschmack ist auch ziemlich fragwürdig.«
Ich wollte schon antworten, aber die Worte verpufften auf meiner Zunge. Ich wusste, dass Dad Caleb nicht mochte, aber deswegen hatte er trotzdem nicht ganz unrecht. Caleb war geheimnisvoll – das hatte mich ja gerade angezogen – , aber so eine mystische Aura kann ganz schnell ihren Reiz verlieren, wenn Feinde verschwinden, Autos geschrottet werden und man an der Zimmerdecke aufwacht. Einem Menschen voll zu vertrauen und gleichzeitig an ihm zu zweifeln, ist schwer, aber nicht unmöglich. Ich tat das jeden Tag. Dem skeptischen Blick nach zu urteilen, mit dem Dad mich bedachte, war ich da nicht die Einzige.
Nach dem Abendessen, einer weiteren Verhörrunde und der wiederholten Bitte, ich möge doch einen Therapeuten aufsuchen, verabschiedete ich mich von Dad mit dem Versprechen, dass wir uns noch einmal sehen würden, bevor der Weihnachtswahnsinn losbrach. Allzu viele Menschen in meiner Umgebung waren in diesem Jahr gestorben, und Dad war sich nicht sicher, ob ich richtig mit meiner Trauer umging. Er hatte völlig recht, das tat ich nicht, daher auch das tote Mädchen im Wohnzimmer, das außer mir niemand sehen konnte. Aber ein Seelenklempner konnte mir bei meinem speziellen Problem nicht helfen, und als verrückt abgestempelt zu werden, würde mir vielleicht die Chancen versauen, an der Jurafakultät angenommen zu werden. Also konnte ich es noch eine Weile so aushalten.
Ich fuhr nicht sofort nach Hause, sondern schaute noch mal in Calebs Hotel am anderen Ende der Stadt vorbei. Er und seine Brüder wohnten dort, bis Caleb entweder eine neue Bleibe gefunden oder die Verwüstungen in seiner alten beseitigt hatte, die auf Tobias’ Konto gingen. Caleb hatte mir nicht gesagt, in welchem Hotel er wohnte, und ich hatte mir auch nicht die Mühe gemacht zu fragen, aber ich brauchte weder Namen noch Wegbeschreibung. Ich würde immer wissen, wo er gerade war, und umgekehrt.
Meiner Erfahrung nach war ein Cambion niemals richtig pleite. Ihr Charme verschaffte ihnen so manchen Luxus und sorgte im wahrsten Sinne des Wortes dafür, dass sie sogar mit einem Mord davonkamen. Calebs Familie war wohlhabend, aber er lebte bescheiden und mühte sich genauso in der Tretmühle ab wie wir anderen Arbeitstiere. Man stelle sich also meinen Schock vor, als meine Intuition mich vor die prächtigen Tore des Charlotte Hotels führte.
In der Mitte der kreisrunden Auffahrt plätscherte ein gewaltiger Springbrunnen auf einem Stück Rasen. Im weichen Schein der antiken Laternen erschien das Hotel wie ein Relikt aus den wilden Zwanzigern. Fehlten nur noch ein Page, die Mädchen mit dem kecken Kurzhaarschnitt und ein paar Gangster mit Maschinenpistolen. Die ganze Umgebung verströmte puren Luxus, von dem gut gelaunten Diener, der mein Auto parkte, über den eindeutig schwulen Concierge an der Rezeption bis hin zu den Jazzklängen, die vom Klavier in der Lounge neben der Eingangshalle herüberwehten.
Herumlungern wurde hier nicht gern gesehen, also eilte ich zu den Aufzügen, als wüsste ich, wohin ich wollte. Ich trat in die Kabine und drückte auf alle Knöpfe, zum großen Ärger des älteren Ehepaars, das mit mir fuhr. Die Türen öffneten sich auf jedem Stockwerk, und ich steckte auf der Suche nach einer Spur von Caleb meinen Kopf hinaus. Der Sog unserer Verbindung wurde immer stärker, zähflüssiger, umfassender, je höher wir fuhren, also wusste ich, dass ich auf dem richtigen Weg war.
Das Paar stieg in der fünften Etage aus, und ein junger Mann mit dunkler Sonnenbrille kam herein. Nicht, dass mich das interessiert hätte, aber der Typ war gut gebaut und noch besser angezogen mit seiner Lederjacke, dem Rollkragenpulli und den schwarzen Handschuhen.
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