Cambion Chronicles - Golden wie das Morgenlicht (German Edition)
meiner Linken. »Ich bin dir zu nahe, und das kann er nicht leiden. Er würde dich nie allein lassen, genauso wenig wie ich.« Er schleicht langsam, vorsichtig um mich herum, und ich spüre eine Veränderung in seinem Verhalten, etwas Rohes, Urtümliches, das ich bisher nicht gekannt habe. Die Dunkelheit in ihm kommt nicht von Caleb, sondern von etwas Lebendigem in ihm, das nie das Tageslicht hätte erblicken dürfen. Capone.
Ich sehe in seine Richtung, als er hinter einem Baum hervortritt. Sein feuchtes Haar klebt ihm im Gesicht, sein wilder Blick schießt durch die nassen Strähnen. Die feindseligen Vibrationen in der Luft werden plötzlich stärker. Aber was mir mehr Sorgen macht, ist die Waffe in seiner Hand, ein scharfes, heimtückisches Gerät, das ich schon oft gesehen habe, vor allem in der Halloween-Nacht. Ich bezweifle nicht, dass er weiß, wie man sie benutzt. Capone weiß, was Caleb weiß. Sie sind schließlich seit ihrer Geburt zusammen.
Ich starre Capone an und suche nach dem Unterschied zwischen ihm und seinem Meister. Es gibt keinen, nur das Leuchten seiner Augen, das beim direkten Hineinsehen schmerzt.
»Erwartest du, dass ich einfach danebenstehe, wenn du meinem Gefährten etwas antust? Haben du und deine Familie mir nicht schon genug genommen?«, frage ich.
Er bleibt stehen. »Du machst mich für Nadines Tod verantwortlich. Du willst Rache, ich verstehe. Hast du mich deswegen vergiftet?«
Ich zucke bei seinen Worten zusammen. »Woher weißt du das?«
»Die Energie, die Samara mir im Krankenhaus gab, brachte eine Menge interessanter Erinnerungen. Etwa die mit dem Salböl und einer Tasse heißer Schokolade. Zuerst dachte ich, das sei Samara gewesen, aber als sie von ihren Blackouts und von Tobias erzählte, na ja, da passte plötzlich alles zusammen. Ich habe Caleb die Erinnerung genommen. Er darf nicht wissen, dass du uns verraten hast.«
Er umkreist mich langsam in dem Versuch, mich zu hypnotisieren. Sein starrer Blick nagelt mich fest. Die Wut leuchtet in einem strahlenden, fliederfarbenen Strudel aus seinen Augen. So grell habe ich sie noch nie leuchten sehen. Und doch vermitteln seine Augen eine falsche Vorstellung von Hitze, denn das Gefühl, das sein Körper verströmt, ist eiskalt. Ich verdiene diese Feindseligkeit, aber er muss auch meine Sicht der Dinge verstehen. Man hat mir etwas gestohlen, das ich nie wieder zurückbekommen kann.
»Du verstehst das nicht. Tobias ist … er war mein Gefährte. Ich will das Gefühl zurück, zu jemandem zu gehören. Mit dir und mir ist das anders, wir haben diese Verbindung nicht.«
»Und was ist mit Caleb? Was ist mit mir?«
Ich habe noch nie zuvor geweint, nicht wie die Menschen. Es kitzelt ein wenig in den Augen und zieht die Lunge ein bisschen zusammen, aber es drückt nicht ganz den Schmerz aus, den wir kennen. Und was am schlimmsten ist, Capone kann das alles in diesem Augenblick fühlen. Nicht einmal das kann ich vor ihm verstecken.
»Was glaubst du, was Samara tun wird, wenn sie erfährt, wozu du sie gezwungen hast? Du vergisst, wer deine Herrin ist, und du unterschätzt mich. Beides sehr dumm von dir, Lilith. Also, wo ist Tobias?«, herrscht er mich an.
Bevor ich antworten kann, frischt der Wind auf und lenkt unsere Aufmerksamkeit in den Himmel. Als Capone abgelenkt ist, drehe ich mich um und haste auf das Feld zu. Der Wind wird stärker, schiebt die Äste an den Bäumen zurück und drückt das Gras in der Waldlichtung platt. Er kommt näher wie ein dunkler Pesthauch, der mich einhüllt.
»Lilith!«, ruft Capone hinter mir, aber ich ignoriere ihn.
Der Sturm verdichtet sich und wird zu einem Körper, als er den Boden berührt. Tobias tritt vor. Sein Körper nimmt Gestalt an, der schwarze Nebel wirbelt herum wie eine Galaxie in Menschenform.
Ich werfe mich in seine Arme, suche Zuflucht, einen Ausweg. Das ist meine letzte Chance, aber wir haben nicht viel Zeit. Sofort sind wir von allen Seiten umzingelt. Violettes Licht wabert durch die Luft und beobachtet uns.
Haden ergreift zuerst das Wort, er kommt von rechts auf uns zu. Er richtet eine Pistole auf Tobias’ Kopf. »Gib uns einen Grund, dich zu erschießen. Bitte, tu es.«
»Du hast dich mit der falschen Familie angelegt, Dämon!« Michael bewegt sich links von uns und wirft ein langes, gezacktes Messer von einer Hand in die andere.
Tobias stellt sich vor mich. »Ihr könnt sie nicht haben, und ihr könnt mich nicht töten. Was wollt ihr tun?«
»Improvisieren«, antwortet
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