Cambion Chronicles - Smaragdgrün wie die Dämmerung (German Edition)
Ich drückte mir die Hand in die Seite, um den Blutstrom zu stillen, den es nicht gab. Ich musste mir ins Gedächtnis rufen, dass der Geist über die Materie triumphiert und dass ich meinen Gefühlen nicht trauen durfte. Nicht mehr.
Ich war schon etwa vier Häuserblocks weit gerannt, als mir einfiel, dass ich mein Auto hatte stehen lassen. Und Haden. Ich würde wegen keinem von beiden umkehren, auch wenn Haden noch meine Autoschlüssel hatte. Ich beschloss, Mom anzurufen, sobald ich weit genug weg war. Haden war größer als ich und konnte gut auf sich selbst aufpassen.
Aber ich konnte nicht anhalten, nicht jetzt, nicht solange die Angst, verfolgt zu werden, so stark war. Wer auch immer mein Verfolger war, er holte schnell auf. Mit jeder Sekunde schrumpfte der Abstand zwischen uns, bis ich fast seinen Atem im Nacken fühlen konnte. Ich machte größere Schritte, rannte noch entschlossener, aber meine Beine machten nicht mit.
Etwas Schweres warf mich zu Boden. Ich rollte mich auf den Rücken und schwang die Fäuste. Meine Schreie waren nicht lauter als ein Flüstern, aber ich schlug blindlings um mich.
»Sam, ich bin’s.« Ich hörte seine Stimme, aber ich wollte es nicht glauben. Mein Körper versagte mir den Dienst, das Adrenalin verebbte. Ich war zu erschöpft, um den falschen vom richtigen Caleb unterscheiden zu können, aber ich musste es versuchen. Soweit ich wusste, hatte Tobias niemals Energie von Caleb genommen. Dank unserer Verbindung erlebte Tobias vielleicht Calebs Gefühle mit, aber er hatte keinen Zugriff auf seine Erinnerungen.
Zwischen zwei Atemzügen fragte ich: »Du hast mir mal gesagt, dass du mich liebst. Wo waren wir da?«
»In deinem Zimmer«, antwortete er prompt. Ein violettes Leuchten erfüllte seine Augen und ließ sein Gesicht und seinen Körper als bloßen Umriss erscheinen. »Aber Caleb gibt dir jeden Tag Vierteldollarstücke, falls du es vergessen solltest.«
Das war der Moment, in dem ich zusammenbrach. Ich legte meinen Kopf ins frostige Gras und wurde von Schluchzern geschüttelt. Mein Atem hing als Nebelwölkchen in der Luft, die wie kleine Rauchsignale durch die Nacht zogen.
Capone nahm mich bei der Hand und zog mich hoch. Ich lehnte mich schlapp gegen seinen Körper, der vor Lebenskraft zu vibrieren schien. Ich hätte in diesem Moment töten können für nur einen Tropfen dieser Energie, denn ich fühlte mich in drei Stücke gerissen: Ein Teil von mir gehörte zu Tobias, ein anderer zu Caleb und dann gab es noch das, was von mir selbst übrig war.
Capone legte die Arme um mich und strich mir über den Rücken. »Alles in Ordnung, Samara. Ich bin’s. Caleb ist in Sicherheit. Aber wir müssen dich hier wegbringen.« Capone zuckte schmerzerfüllt zusammen, als unsere Zwillingswunden im gleichen Rhythmus pochten.
»Ich habe es auch gespürt«, sagte ich. »Ich bin mit keinem von euch den Bund eingegangen, aber es tut trotzdem weh.«
»Wir fühlen seine Reaktion auf den Schmerz, sonst nichts. Wenn du mit ihm verbunden wärst, wäre hier alles voller Blut, also sei froh.« Er hielt einen Augenblick nachdenklich inne, dann sagte er: »Ich glaube, es wird langsam besser. Das bedeutet, er erholt sich, und bald wird er hinter uns her sein.«
»Komm mit mir«, bat ich. »Ich weiß nicht, wie lange die Energie reicht, die ich dir gegeben habe.« Ich trocknete meine Tränen an seinem Hemd und sah mich um. »Wo ist Haden?«
»Er hat deinen Wagen genommen und sucht nach dir. Wir müssen auf die Hauptstraße kommen.«
Ich tastete in meiner Hosentasche nach dem Handy. »Ich rufe ihn einfach an.«
Ich war erleichtert, dass es den Kampf unbeschadet überstanden hatte und dass die Batterie noch zwei Balken anzeigte, aber als ich die Uhrzeit auf dem Display sah, erstarrte ich für einen Moment. 23:46? Nur zehn Minuten waren vergangen, seit ich Calebs Haus betreten hatte? Doch wohl eher zehn Minuten, zwei Lebensspannen und ein Schaltjahr. Ich rief Haden an, der sich genauso erschöpft und verängstigt anhörte, wie ich mich fühlte.
»Wo bist du?«, bellte er.
Ich suchte mit den Augen die Gegend ab, bis ich ein Straßenschild entdeckte.
»Wir sind nur fünf Häuserblocks entfernt. Fahr in Richtung Autobahn. Wir treffen uns in einer Minute an der Straße.« Ich schob gerade das Handy in die Tasche, als eine Hand mich so heftig nach vorn riss, dass ich fast ein Schleudertrauma bekam.
»Lauf!«, schrie Capone.
Laufen war das Letzte, was ich jetzt tun wollte. Jedenfalls bis ich die
Weitere Kostenlose Bücher