Cambion Chronicles - Smaragdgrün wie die Dämmerung (German Edition)
»Samara, vielleicht solltest du mal zu meinen Therapiesitzungen mitkommen und …«
»Nein danke.« Ich drehte mich um und ging wieder zur Arbeitsplatte.
»Nur ein paar Sitzungen. Das hilft wirklich, und du musst auch nichts sagen, nur zuhören.«
»Es geht mir gut, Mom.«
»Süße, du musst deine Trauer richtig verarbeiten. Ich kann nur erahnen, was du durchmachst. Du gehst ja nicht mal allein ins Wohnzimmer. Du sprichst kaum über Nadine, und du wirkst oft abwesend.«
Ich erstarrte. »Tu ich nicht.«
»Samara, dein Vater und ich machen uns Sorgen um dich, und du kannst vor ihm nicht viel verbergen.« Sie zog eine Augenbraue hoch.
Da hatte Mom allerdings recht. Dad wusste zwar nichts von Lilith, aber er war nicht dumm, und es war nahezu unmöglich, einen Anwalt anzulügen. Dad rief mich jetzt häufiger an und weckte Schuldgefühle in mir, weil ich nicht vorbeikam. Meine Besuche bei ihm waren immer eine echte Belastungsprobe, da er beim Abendessen am liebsten auf Calebs zahlreichen Fehlern herumritt. In Dads Augen war niemand gut genug für sein Töchterlein, schon gar nicht der Sohn eines Mörders. Nein, im Moment war es keine gute Idee, mein Seelenleben vor bestimmten Mitgliedern meiner Familie auszubreiten.
»Hast du mit Caleb darüber gesprochen? Es ist ungesund, das alles in sich reinzufressen.«
»Mit der elektronischen Armfessel hier ist es nicht ganz leicht, mal ungestört mit ihm zu reden.« Ich betrachtete mein Handgelenk und verzog den Mund.
Wie Lilith hatte auch dieses Schmuckstück Nadine gehört, und es war eins der stilvollsten und unauffälligsten Bespitzelungssysteme der Welt. Erst nachdem ich es angelegt hatte, erfuhr ich, dass man den Verschluss nicht wieder öffnen konnte. Der winzige Chip in der gravierten Platte war wasserfest und hitzebeständig und schickte ständig Meldungen über meinen Aufenthaltsort an Moms Computer. Dieses Erbstück war mir zu meinem Schutz vermacht worden, aber es hing an mir wie eine Eisenkette. Nur der unglaubliche Wert des Armbands schützte es vor dem Bolzenschneider.
Ich versuchte zu diskutieren, obwohl ich wusste, dass ich auf verlorenem Posten stand: »Angie hat mir erzählt, dass ihr beide über meine Beziehung zu Caleb redet. Warum ist das so eine große Sache? Wir müssen uns treffen, wir geben uns gegenseitig Energie. Ich mutiere deswegen ja nicht plötzlich zum Flittchen oder so.«
»Sie hat gesagt, dass sich dein Körper stärker verändern wird, als das in der Pubertät normalerweise der Fall ist. Ich habe gesehen, wie du dich verhältst, wenn du keine Energie trinkst. Ich kann nur erahnen, was passieren könnte, wenn es irgendwann um andere Bedürfnisse geht, und ich habe keine Lust, mit vierunddreißig Oma zu werden.«
Ich sah zur Decke. »Wo ist in diesem Haus nur das Vertrauen hin?«
»Es geht nicht darum, dass ich dir nicht vertraue, Süße. Aber deine Mitbewohnerin, wie du sie nennst, muss beaufsichtigt werden. Und das bedeutet, dass du dich außerhalb der Arbeit nicht ohne Begleitung mit Caleb treffen darfst. Darüber diskutiere ich nicht, du kannst dir also die Worte sparen.« Mom setzte die Brille auf und wandte sich wieder ihrem Laptop zu.
Damit war unser kleines Treffen beendet. Ich schnappte mir meine Tasche und verließ die Küche. Diese Platte hatte einen Sprung, und ich konnte das immer gleiche Lied nicht mehr hören. Erst war es Dad gewesen, und nun fiel auch noch Mom in die abgenudelte Melodie ein. Wenigstens war sie von der Therapie wieder abgekommen. Dieses Thema schlich sich in letzter Zeit häufig in unsere Gespräche.
Auf dem Weg zur Treppe bemühte ich mich, nicht ins Wohnzimmer zu schauen, aber es schien sich wie von selbst in mein Blickfeld zu drängen und um einen kleinen Blick, einen winzigen Moment meiner Zeit zu betteln. Ich sah flüchtig hin und verfluchte meine Schwäche sofort.
Die Möbel waren jetzt anders arrangiert, ein fröhliches Ensemble aus Blumendrucken, Kissen, kleinen Teppichen und künstlichen Pflanzen. Das Sofa stand einen halben Meter weiter im Raum und bildete mit dem Zweisitzer, dem Glastisch und einem Sessel mit hoher Rückenlehne ein dekoratives Grüppchen. Die Wände waren in einem blassen Kuchenteiggelb gestrichen und weiß abgesetzt. Sorgfältig ausgewählte Fotos standen in der Regalwand und auf dem Marmorsims des Kamins, den wir nie benutzten. Aber keine Renovierung der Welt konnte das Bild von Nadines Leiche auslöschen, wie sie da verdreht auf dem Boden gelegen hatte.
Angie hatte mal
Weitere Kostenlose Bücher