Cambion Chronicles - Smaragdgrün wie die Dämmerung (German Edition)
Es hätte mich nicht überrascht, wenn sie das Kostüm direkt aus dem Fundus eines Filmstudios gekauft hätte.
»Hui, wenn das mal nicht die fantastische Quorra aus Tron ist«, rief ich vom oberen Treppenabsatz hinunter.
Sie drehte eine leuchtende Frisbeescheibe auf dem Finger und beobachtete meinen ungeschickten Abstieg ins Erdgeschoss. Man musste schon sehr beweglich sein, um mit einem Meter zwanzig breiten Flügeln eine enge Treppe hinunterzukommen.
Mit Röntgenblick scannte sie mein Kostüm und verschränkte die Arme. »Was sollte das noch mal darstellen?«
»Die grüne Fee.« Ich drehte mich einmal um mich selbst, sodass das fransige Ballerinaröckchen und die durchsichtigen Flügel nur so flogen.
Mia rümpfte die Nase und zog den Mund von einer Seite zur anderen. »Wie die in Pinocchio ?«
»Das ist die blaue Fee. Meine ist nicht jugendfrei.« Ich drückte die Schultern nach hinten und wackelte mit den Hüften.
»Nein, du stammst definitiv nicht aus einem Disney-Film. Eher aus einem von Tim Burton.« Sie grinste.
Ich hielt inne und runzelte die Stirn. »Können wir los?«
»Yep. Ich hab da noch ’ne Rechnung offen, und Dougie soll sich in Qualen winden. Man muss dem Ex immer mal wieder zeigen, was er verpasst«, erwiderte Mia und brachte ihr Dekolleté in Form.
Ich hatte mir gerade meine Tasche neben der Tür geschnappt, als Mom in die Diele kam.
»Oh, ihr zwei seht aber … hübsch aus.« Sie zog eine Grimasse. »Wird euch nicht kalt?«
»Keine Sorge, Mrs M. Ich habe noch eine Jacke im Auto«, sagte Mia.
»Na schön, ihr zwei, passt gut auf euch auf. Nehmt keine Süßigkeiten, die nicht mehr originalverpackt sind, und esst nichts Selbstgebackenes. In den Nachrichten haben sie gerade von einem Mann berichtet, der Rattengift in seine Kekse getan hat und …«
»Danke, Mom. Wir werden dran denken. Bis dann.« Ich öffnete die Tür und schob Mia hinaus, bevor Mom uns noch mehr Angst einjagen konnte.
»Viel Spaß, meine Süße. Und vergiss nicht, was ich dir gesagt habe.« Mom klopfte sich aufs Handgelenk und meinte damit mein Armband.
Ich nickte stöhnend und machte die Autotür zu.
Nach einer zehnminütigen Autofahrt quer durch die Stadt kamen wir am Hintereingang von Kingsmill an, einem Oberschichtviertel mit einem bewachten Tor, einem Dutzend Golfplätzen, Ententeichen und einer reichen Auswahl an wilden Partys. Auf dem Hügel über dem James River stand das Clubhaus, in dem die große Sause stieg. Schon als wir auf den Parkplatz fuhren, wo nur die neusten Modelle standen, war mir klar, dass uns ein Abend voller Show und Überheblichkeit bevorstand.
Mia war schon auf halbem Weg zur Tür, als ihr auffiel, dass ich nicht mitkam. »Sam, wo willst du hin?«
Ich antwortete nicht und ließ sie mit ihren hohen Absätzen hinter mir herstöckeln, bis wir zum Bedienstetenparkplatz auf der anderen Seite des Gebäudes kamen. Ich begann zu laufen und folgte dem lauter werdenden Dröhnen eines Bassbeats. Als sie mich schließlich eingeholt hatte, schien sie über die Planänderung nicht sehr erfreut zu sein.
Dougies Range Rover parkte mit laufendem Motor in der Feuerwehreinfahrt. Die getönten Scheiben und die Chromteile an der Karosserie bebten unter dem dröhnenden Gangster-Rap aus dem Wageninneren. Als er uns sah, stieg er aus und mit ihm ein Schwall schief gesungener schmutziger Wörter. Wie um seine Street-Credibility zu unterstreichen, trug Dougie genau den weißen Anzug, mit dem Al Pacino in der Welt des Hip-Hop berühmt geworden war.
Ich schüttelte den Kopf. »Douglas, Douglas, Douglas, warum tust du dir das an?«
Er verzog den Mund und zuckte mit den Achseln. »Hab ’nen Ruf zu verteidigen, verstehste?«, sagte er und kam dabei beeindruckend nah an Tony Montana heran. »Was willst du denn darstellen?«
Ich warf frustriert die Hände in die Luft. »Was ist nur los mit euch? Ich bin die verdammte grüne Fee! Ihr wisst schon, die einem erscheint, wenn man high ist nach dem Genuss von …«
»Absinth«, sagte Caleb hinter mir. Er grinste breit, stellte seine Ausrüstung ab und trat zu uns.
Ich neigte dankbar den Kopf und zog ihn an mich. »Danke. Endlich mal einer.«
Mit gleichgültigem Gesichtsausdruck sagte Dougie: »Wie du meinst. Du siehst jedenfalls aus wie Tinkerbell auf Drogen.«
»Klappe, Dougie!«, zischte ich und schlang meine Arme um den verirrten Bewohner von Mittelerde.
Mit seiner blonden Langhaarperücke, den spitzen Ohren und den grauen Leggings sah Caleb haargenau aus wie
Weitere Kostenlose Bücher