Cambion Chronicles - Smaragdgrün wie die Dämmerung (German Edition)
zugange.
Ich drehte mich zur Seite und sah Mom in einem Sessel am Fenster dösen. Es musste etwas Schlimmes passiert sein, wenn sie in ihrem löchrigen Pyjama das Haus verlassen hatte. Den Tränenspuren und ihren dunklen Augenringen nach zu urteilen, war die Lage wohl ernst.
»Mom?«, rief ich aus geschwollener, kratziger Kehle.
Langsam und mit flatternden Lidern schlug sie die Augen auf. »Samara?«
»Hi, Mom. Wie läuft’s?«
Sie setzte sich gerade hin und rieb sich die Augen. »Oh, Gott sei Dank, Süße. Geht es dir gut? Wie fühlst du dich?«
»Schwummerig. Warum bin ich im Krankenhaus?«
»Du wurdest vorletzte Nacht eingeliefert. Du hattest einen Anfall und bist ins Koma gefallen. Weißt du noch, was passiert ist?«
»Nicht so richtig.« Ich fuhr mir mit der Hand durch die Haare und ließ mich ins Kissen zurücksinken. »Wir waren bei Courtneys Party. Caleb hatte Pfeil und Bogen und … Caleb!« Ich fuhr in die Höhe, aber Mom drückte mich wieder hinunter.
»Ganz ruhig, entspann dich. Er ist auch hier, den Flur runter. Sein Bruder ist bei ihm. Erzähl mir, was passiert ist.«
In meinem Kopf begann es zu rattern, während ich versuchte, die Ereignisse in die richtige Reihenfolge zu bringen. »Er hatte eine Art Anfall.«
Moms Gesichtsausdruck war undurchdringlich. Eine Vielzahl von Gefühlen blitzte in ihren blauen, blutunterlaufenen Augen auf. Am deutlichsten war Furcht zu erkennen. »Samara, es tut mir so leid. Es tut mir so leid.« Sie vergrub das Gesicht in den Händen.
»Was ist passiert, Mom?«
»Er liegt im Koma. Die Ärzte denken, es war eine allergische Reaktion, aber sie können seine Symptome nicht so recht zuordnen. Die Sanitäter waren ziemlich schnell vor Ort, sie haben seinen Magen ausgepumpt und ihm Insulin verabreicht, aber sein Zustand ist immer noch labil. Wir müssen einfach abwarten.«
»So was wie eine Nahrungsmittelallergie? Was hat er denn gegessen?«
»Ich hatte gehofft, du könntest diese Frage beantworten«, sagte sie leicht vorwurfsvoll.
»Glaubst du, er hat Drogen genommen oder so was? Komm schon, Mom. Caleb nimmt keine Drogen. Das wüsste ich. Ich war den ganzen Abend bei ihm, und außer Süßigkeiten hat er keine Überdosis von irgendwas zu sich genommen«, verteidigte ich ihn.
»Das glaube ich dir ja. Sie sind sich ziemlich sicher, dass er allergisch auf irgendein Nahrungsmittel reagiert hat.« Mom ließ sich Zeit, bis sie endlich mit der Sprache herausrückte: »Ich dachte erst, vielleicht ist es nur ein Zufall, aber du hast genauso reagiert.«
»Worauf?«, schrie ich. »Wurden wir vergiftet?«
»Ich wollte keinen Verdacht erregen, jedenfalls nicht mehr, als ohnehin schon besteht, aber …« Mom warf einen Blick zur Tür und sagte dann leise und verschwörerisch: »Weißt du noch, was ich dir letzte Woche über meine Recherchen erzählt habe, das mit dem Olivenöl?«
»Olivenöl?«, wiederholte ich ungläubig. Ich dachte, ich hätte mich verhört. »Warum sollte Caleb Olivenöl trinken, und was hat das damit zu tun, dass es ihm schlecht geht? Das sind doch alles nur Legenden, Mom.«
»Ach ja? Cambions sind auch nur Legenden. Inkuben und Sukkuben dürfte es gar nicht geben. Warum sollte diese Regel mit dem Olivenöl nicht auch stimmen?«
»Weil es nicht funktioniert – das ist nur ein alberner Aberglaube. Ich habe es dir doch bewiesen, ich habe überhaupt nichts gemerkt von …« Ich hielt inne. Noch während mein Mund das nächste Wort bildete, traf mich die Erinnerung wie ein Blitz. Die Wahrheit blieb mir sozusagen im Halse stecken.
Als ich mich mit Mom in der Küche unterhalten hatte, hatte ich das Öl von meinem Finger geleckt, und kurz darauf war mir schlecht geworden, und ich hatte die halbe Nacht lang gekotzt. Meine Eingeweide hatten sich verkrampft, und Lilith hatte sich ebenfalls vor Schmerzen gekrümmt. Es hatte sich ganz ähnlich angefühlt wie in der Halloweennacht. Aber damals waren es nur wenige Tropfen an meinem Finger gewesen, nicht mal ein Teelöffel voll.
Ich starrte vor mich hin und schüttelte den Kopf. »Bist du dir da ganz sicher, Mom?«
»Es gibt keine andere Erklärung. Du hattest vorher noch nie gesundheitliche Probleme, als Kind warst du kaum mal krank. Und es sind auch nicht gerade die typischen Symptome für eine Nahrungsmittelallergie. Eigentlich sieht es mehr nach einer ›inneren‹ Erkrankung aus.« Sie betonte das Wort, indem sie mit den Fingern Anführungszeichen in die Luft schrieb. »Für die Ärzte hier sind noch jede
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