Cambion Chronicles - Smaragdgrün wie die Dämmerung (German Edition)
könnte er in einer Spezialeinheit den Dschungel durchkämmen, aber der Duft nach Zimtbrötchen, der ihn stets umgab, machte sein Image als harter Kerl wieder zunichte.
Er blinzelte ein paarmal, bis das Leuchten in seinen Augen verblasste und sich zurückzog. »Hast du Hunger?«
Ich wusste, wie er das meinte. »Und wie«, sagte ich.
Mit einem schelmischen kleinen Lächeln drehte sich Haden zu dem Pfleger um. »Sir, sie ist noch ein bisschen schwach. Wären Sie wohl so freundlich, sie in ihr Zimmer zu begleiten?« Seine Stimme klang so tief und überzeugend wie die eines Filmschurken.
»Natürlich.« Der Pfleger trat näher und erstarrte, als unsere Blicke sich trafen. Er war ein stämmiger Kerl und trug einen flatternden OP -Kittel. Wegen seines athletischen Körperbaus und des jungenhaften Gesichts tippte ich auf Medizinstudent, aber ich musste vorsichtig sein. Meine Anziehung wirkte auf Männer jeden Alters, und es wäre doch zu schade gewesen, wenn er heute Nacht wegen ungebührlichen Verhaltens festgenommen worden wäre.
Ich kam ihm auf halbem Weg entgegen und strich ihm mit der Hand über das Gesicht. Fast ohne zu zögern gab er der Anziehung nach und beugte sich zu mir, um mich zu küssen. Kurz vor seinem Mund hielt ich inne und strich mit meinen Lippen nur leicht über seine, dann über seine Wange, seinen Hals und wieder über seinen Mund. In vollen Zügen nahm ich die dringend benötigte Nahrung auf. Mit dem Finger an seinem Puls wartete ich auf das verräterische Aussetzen seines Herzschlags. Sobald ich es fühlte, hörte ich auf und trat zurück.
Er starrte mich mit verschleiertem Blick an und bettelte wortlos nach mehr. Er hätte mir alles gegeben, um noch einmal in diesen Genuss zu kommen.
»Sagen Sie meiner Mutter, dass es mir gut geht«, trug ich ihm auf. »Sagen Sie ihr, ich müsse unbedingt hierbleiben. Meine Anwesenheit beruhigt Caleb. Ich komme morgen früh zurück.«
Er nickte beflissen und eilte davon, um meine Anweisungen auszuführen.
Haden stand an der Tür und lächelte anerkennend. »Eine wahre Cambion bei der Arbeit. Nadine wäre stolz auf dich.«
»Danke.« Ich krabbelte auf das Bett, rollte mich neben Caleb zusammen und versuchte, dabei keine Drähte und Schläuche abzureißen.
Haden verließ kurz das Zimmer. Bestimmt wollte er Mom davon abhalten, mich in mein Zimmer zurückzuschleifen. Ich brauchte eine Weile mit Caleb allein, ein bisschen Zeit, um Frieden zu finden. Irgendwann schlief ich ein, nachdem ich aufmunternde, liebevolle Worte geflüstert hatte, die ich niemals laut auszusprechen gewagt hätte und die allein für seine Ohren bestimmt waren.
8
I ch musste noch ein paar Tage im Krankenhaus bleiben, weil ich immer noch keine feste Nahrung zu mir nehmen konnte.
Die Ärzte machten weitere Tests mit mir und waren auffallend zuvorkommend. Sie erinnerten sich wohl nur zu gut an das letzte Mal, als die Marshall-Frauen das Krankenhaus heimgesucht hatten. Vielleicht hatte die zusätzliche Aufmerksamkeit, die mir zuteil wurde, auch damit zu tun, dass ich von jedem männlichen Wesen der Belegschaft trank, einschließlich der Wachmänner. Ich konnte mich jedenfalls nicht beklagen.
Mom hielt weiterhin Wache und versuchte die Polizei und den hartnäckigen Privatdetektiv David Ruiz abzuwehren. Er bestand allerdings darauf, sich mit mir zu unterhalten, und nicht mal Moms finstere Drohung, ihn auszuweiden, konnte ihn davon abbringen.
Trotz seines entspannten Tonfalls und des lässigen Brooklyn-Akzents verströmte Ruiz eine Autorität, die mich stottern ließ. Weder seine glänzenden schwarzen Locken noch das Colgate-Lächeln oder der Designeranzug taten dieser Ausstrahlung irgendeinen Abbruch. Sie umwehte ihn wie ein Rasierwasserduft und warnte das Gegenüber, ja keine Tricks zu versuchen. Daher beschloss Lilith, die Sache diesmal einfach auszusitzen. Er schien ohnehin immun gegen meine Anziehungskraft zu sein, was an sich schon ein unerklärliches Phänomen war. Ich hielt ihn jedenfalls nicht für eine vierzig Jahre alte Jungfrau, so wie er Mom die ganze Zeit über abcheckte.
Er wusste von meiner Verbindung mit Caleb und fragte mich nach seinem Vater. Ich antwortete ausweichend, aber er bohrte immer weiter. Der Detektiv und ich teilten eine Überzeugung: Es gab immer eine Ursache und eine Wirkung, und Zufälle existierten nicht. Er schien mehr zu wissen, als er preisgab. Vielleicht gehörte das zu seiner Strategie. Da sich keiner von uns vom anderen in die Karten schauen lassen
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