Cambion Chronicles - Smaragdgrün wie die Dämmerung (German Edition)
mit dir geschehen ist, etwas Seltsames. Ich meine nicht nur deine Augenfarbe – für die die Ärzte übrigens immer noch keine Erklärung haben –, sondern dein ganzes Verhalten. Es ist, als wärst du plötzlich jemand anderes.« Er griff in seine Anzugtasche und zog eine gefaltete Broschüre heraus. »Samara, es gibt da einen Psychologen in Alexandria, der sich auf abnorme Fälle von posttraumatischem Stress spezialisiert hat«, begann er und wartete ab, wie ich reagieren würde.
Ich sagte kein Wort, sondern starrte nur auf die zerfledderte Broschüre in seiner Hand und fragte mich, wie lange er die wohl schon mit sich herumschleppte.
»Ich weiß, dass du glaubst, es geht dir gut, aber das ist eindeutig nicht so. Als ich deine Freundin Nadine kennenlernte, fielen mir als Erstes ihre Augen auf. Und du hast jetzt genau dieselben Augen. Die Seele ist mächtig, mein Püppchen, und ich glaube, dass deine Veränderung ein körperlicher Ausdruck deiner Trauer ist. Dieser Spezialist behandelt alle möglichen Arten von Anomalien: Frauen, die trotz Fehlgeburt immer noch alle Anzeichen für eine Schwangerschaft zeigen, Zwillinge, die die Symptome des anderen Zwillings übernehmen, Menschen mit Stigmata und so weiter. Die Sitzungen sind absolut vertraulich und … denk einfach mal drüber nach, ja?«
»Und wenn ich nicht geheilt werden kann, Dad? Lässt du mich dann einweisen, wie Grandpa es versucht hat? Ich will nicht noch mehr Tests und Blutuntersuchungen über mich ergehen lassen, und ich will auch keine Pillen schlucken. Ich will einfach nur normal sein. Bitte, lass mich einfach in Ruhe.«
Angst und Enttäuschung machten sich einen Moment lang auf seinem Gesicht breit. Ich war mir nicht ganz sicher, ob meine Geheimniskrämerei oder mein plötzliches Erwachsenwerden der Grund für diesen Ausdruck war, aber er sah mich an wie eine Fremde.
Er schaute zwischen mir und seinen anderen beiden Kindern hin und her, als wolle er die Unterschiede vergleichen – nicht in unserem Aussehen, sondern in unserem Alter. Die Zwillinge waren gerade eingeschult worden, und ich würde bald meinen Abschluss machen. Dad konnte den großen Abstand zwischen uns offenbar nicht ganz erfassen. Nie hatte er so resigniert ausgesehen wie in diesem Augenblick, als er erkannte, dass er seine stolze Position als Beschützer und Versorger nicht mehr innehatte.
Ich streckte meinen Arm aus und zog ihn zu mir heran. Sein großer Körper füllte das bisschen Platz im Bett vollständig aus. Meine Hände sahen winzig aus, als er seine dunkelbraunen Finger um sie schloss. Er schaffte es immer wieder, dass ich mich allein durch seine Anwesenheit klein und zart fühlte.
»Ich bin immer noch dieselbe alte Sam, Daddy. Das ist nur eine neuere Version von mir – Samara 2.0 sozusagen. Ich sehe mich jetzt eben in der großen weiten Welt um, und größtenteils gefällt es mir dort. Ich bin immer noch dein Püppchen. Daran wird sich nie was ändern.«
»Ich weiß.« Er beugte sich zu mir herab, gab mir einen warmen Kuss auf die Stirn und schob dabei mit einer geschmeidigen Bewegung die Broschüre unter meine Decke.
Eine Stunde später brachte Mia mir die Hausaufgaben vorbei und sah dabei so angespannt aus, als könnte sie jeden Moment explodieren. »Also, sagst du mir jetzt, was zum Teufel hier los ist, oder soll ich das einfach wie immer unter ›Dinge, über die Sam nicht reden will‹ verbuchen?«, begann sie. »Ich habe schon so einige merkwürdige Dinge erlebt, aber das an Halloween war ja wohl der reine Wahnsinn.«
»Es gibt nichts zu erzählen. Das war nur ’ne allergische Reaktion auf irgendwas«, erklärte ich mit dem Mund voll Wackelpudding.
Sie glaubte mir keinen Augenblick. »Nicht mal im Bio-Leistungskurs habe ich je was von Bakterien gehört, die dein Gesicht aufleuchten lassen wie bei einem radioaktiv verseuchten Mutanten. Warum hat es niemanden auf der Party getroffen außer dir und Caleb? Komm schon, Sam. Ich bin’s doch. Rede mit mir«, flehte sie.
Obwohl mir jede Silbe wie ein Messer in die Eingeweide fuhr, gingen mir die Lügen so leicht von den Lippen wie Polnisch. Diese Fähigkeit würde mir im Jurastudium sehr gelegen kommen, also fing ich am besten gleich damit an. Die Art, wie mich Mia anstarrte, als sie aus dem Zimmer ging, bedeutete wohl, dass ich noch ein bisschen üben musste.
Den Rest des Tages verbrachte ich damit, den Halloween-Abend wieder und wieder vor meinem inneren Auge ablaufen zu lassen und mich zu fragen, was Caleb
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