Cambion Chronicles - Smaragdgrün wie die Dämmerung (German Edition)
meisten gefürchtet, die Machtübernahme, den rebellischen Rollentausch zwischen Meister und Diener. Was auch immer der Auslöser gewesen war, die Krise blieb dieselbe.
Capone war frei.
20
I ch war schon immer ein Fan von Horrorfilmen gewesen, vor allem von Zombiefilmen, in denen die schäbigen, halb toten Kreaturen auf der Suche nach ihrer nächsten Mahlzeit herumschlurfen.
In jedem Film gibt es eine Szene, in der eine infizierte Person bis zur letzten Minute nichts verraten hat und die Überlebenden die Entscheidung treffen müssen, sie zu töten. Aber vorher ist da immer noch dieser kurze Augenblick, in dem die Kamera auf den ungläubigen, aufgewühlten Gesichtsausdruck desjenigen zoomt, der gleich abdrücken wird.
So ähnlich fühlte ich mich gerade, nur war es weit weniger unterhaltsam. Der einzige Unterschied bestand darin, dass ich keine Waffe hatte. Ich hätte mir eine von Calebs Waffen im Erdgeschoss schnappen können, aber das wilde Licht aus seinen Augen machte mir klar, dass ich ohne seine Erlaubnis nicht mal atmen durfte.
Er schlenderte zum Nachttisch und schaltete die Lampe ein, die plötzlich beschloss, wieder zu funktionieren. Alles an ihm und dieser Situation war falsch.
Und genau wie die Leute in diesen Filmen war ich für kurze Zeit wie erstarrt. Ich fühlte mich jenseits von Schock oder Verdrängung. Sicher, ich konnte mich wehren und so laut schreien, dass Haden heraufkäme – wo steckte Haden überhaupt? –, aber ich konnte nicht aus freien Stücken fortgehen. Wenn ein Teil von Caleb noch da war, noch am Leben war, dann musste ich ihn finden. Ich musste ihn retten, und sei es nur vor sich selbst.
Capone kniete sich hin und zog ein Paar Schnürstiefel unter dem Bett hervor. Er ließ sich auf die Matratze plumpsen, schwang ein Bein über das andere und zog mit zeremonieller Hingabe einen Stiefel an. Er konzentrierte sich vollkommen auf diesen Vorgang, als vollführe er ein heiliges Ritual, bevor er in die Schlacht zog. Caleb trug die Stiefel, die in Punkrockkreisen als »Arschtreterstiefel« bekannt waren, nur selten – aber Arschtreten schien heute Abend offenbar auf dem Programm zu stehen.
»Jemand hat hier drin geschlafen. Caleb macht sein Bett nicht so.« Capone schnüffelte. »Ich rieche Lakritz, also muss es Michael gewesen sein. Sie haben auch die Frühstücksflocken alle gegessen – das war dann wohl Haden. Ich hasse es, wenn sie sein Zeug benutzen. Sie nehmen und nehmen, und er kriegt nur, was übrig bleibt.« Er warf das Haar zurück und fing meinen Blick auf. »Außer dich. Bei dir muss er keine Kompromisse eingehen oder dich mit anderen teilen wie seine Sachen und die Aufmerksamkeit. Dich kann er ganz haben. Hast du eine Ahnung, wie viel Freude ihm das macht und wie viel Energie diese Freude bringt?«
Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, als er sich den Geschmack ins Gedächtnis rief. »Oh, ich hatte es noch nie so gut. Ich musste mich fast zwei Jahrzehnte von Elend und Furcht ernähren. Stell dir vor, du kriegst jeden Tag kalte Suppe, ohne jede Abwechslung. Aber du, Samara, du bringst ihm Freude, die so warm und süß und würzig ist wie Zimt. Er wird sich nie wieder mit kaltem Haferschleim zufriedengeben, und ich auch nicht.«
Ich stand einfach nur stocksteif da und versuchte, seine Tirade zu verstehen. Schließlich fand ich meine Stimme wieder. »Wo ist Caleb? Ist er tot?«
»Wenn er tot wäre, dann wäre ich nicht hier, oder?«, erwiderte Capone und zog den anderen Stiefel an. »Dein Liebster ist in Sicherheit. Er ist nur im Moment nicht fahrtüchtig, deshalb habe ich das Steuer übernommen.«
»Caleb und ich sind kein Liebespaar, jedenfalls nicht ganz«, protestierte ich.
»Was nur deine Unkenntnis des Wortes und seiner wahren Bedeutung beweist«, gab er garstig zurück. »Das ist ein Teil des Problems, habe ich recht? Du machst dir zu viele Gedanken um das Körperliche, dabei ist das nur der Weg zu etwas Tieferem. Darum kümmern wir uns später. Jetzt habe ich größere Hindernisse zu überwinden.« Capone stand auf und lief im Zimmer herum, immer an den Wänden entlang, und erlauschte ihre Geheimnisse. Seine geschmeidigen Schritte hallten über den Boden und forderten die Schatten heraus, hervorzukommen.
Aber wo blieb denn nun Haden? Er hätte doch längst oben sein müssen. Ich war sicher, dass er hören konnte, was hier los war. Oder hielt ihn etwas unten? War er verletzt?
Wahnsinniges Gelächter durchbrach meine Gedanken. Capone stand an der Tür,
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