Camel Club 03 - Die Spieler
zur Liquidierung frei. Er galt als Verräter.«
»Man hat Sie belogen«, antwortete Lesya.
»Heute weiß ich es. Aber wenn Sie und er für uns tätig waren, warum hat man Ihren Tod gewünscht?«
»Wegen eines sehr gefährlichen und vertraulichen Auftrags, den Rayfield und ich erhalten hatten. Zusammen mit einer Gruppe Russen, die treu zu mir standen, wurde dieser Auftrag von uns dann auch erfolgreich ausgeführt.«
»Was war das für ein Auftrag?«
»In all den Jahren habe ich es niemandem erzählt, nicht mal meinem Sohn.«
»Warum nicht?«
»Ich war Spionin. Unsereins gibt Geheimnisse nicht ohne Weiteres preis.«
»Wenn ich Ihnen helfen soll, muss ich die Wahrheit kennen.«
»Sie, der Mörder meines Ehemannes, stellen Forderungen an mich?«
»Wir sind Carter Gray in jeder Beziehung weit unterlegen. Aber gemeinsam können wir ihn vielleicht überlisten. Doch bevor ich Ihnen helfe, will ich die volle Wahrheit wissen.«
Lesya wirkte wenig überzeugt.
Finn trat zu seiner Mutter. »Ich habe meine Familie zu Tode erschreckt. Ich weiß nicht, ob sie tatsächlich außer Gefahr ist. Allerdings könnte ich Gray geradewegs zu ihr führen, falls ich sie aufsuche.«
»Ich habe dir nie verschwiegen, dass es Risiken gibt, viele Risiken.«
»Als wäre es für mich je in Frage gekommen, dich im Stich zu lassen!«, entgegnete Finn verärgert. »Du hast mich doch mein Leben lang darauf vorbereitet, hast mir verdeutlicht, dass es meine Pflicht sei, für Gerechtigkeit zu sorgen. Dass nur ich dazu fähig sei.«
»Jeder Mensch hat eine Wahl«, sagte Lesya. Sie wies auf Stone. »So wie dieser Mann. Er hat es vorgezogen, Befehle zu befolgen, statt Fragen zu stellen, und einen Unschuldigen ermordet.«
»Er war Soldat. Er ist dazu ausgebildet, Befehlen zu gehorchen.«
»Das gilt auch für Bingham, Cole und Cincetti«, hielt Finns Mutter ihm entgegen. »Weshalb soll er anders sein?«
»Weil er gekommen ist, um uns zu warnen. Ohne ihn wären wir beide schon tot. Das ist der Unterschied. Ich bin der Meinung, er verdient unser Vertrauen. Dein Vertrauen.«
»Ich habe in meinem Leben nie jemandem vertraut außer deinem Vater.«
»Und mir«, sagte Finn.
»Und dir«, gestand Lesya.
»Also, wenn du mir wirklich vertraust, dann hör mir gut zu. Du kannst unmöglich dein Leben lang an der Vorstellung festhalten, jeder sei gegen dich.«
»Diese Philosophie hat mir während vieler Jahre stets gut gedient.«
»Und wenn du Rayfield Solomon nicht getraut hättest?«
Lesya schwieg und musterte ihren Sohn aufmerksam. Dann wandte sie sich bedächtig Stone zu. »Wie gut kennen Sie die sowjetische Geschichte?«
»Ich bin ein paar Mal dort gewesen, falls das was heißt.«
»Wissen Sie, welche zwei Führer die Kommunistische Partei hatte, ehe Gorbatschow an die Macht kam?«
Stone nickte. »Juri Andropow und danach Konstantin Tschernenko. Warum?«
»Sowjetische Führer waren im Allgemeinen für ihre Langlebigkeit bekannt. Andropow aber stand kaum dreizehn Monate an der Spitze, Tschernenko ungefähr die gleiche Zeit.«
»Sie waren alte Männer und bei schlechter Gesundheit«, sagte Stone. »Nach Breschnews Tod gaben sie nur Lückenfüller ab. Niemand hat erwartet, dass sie lange durchhalten.«
Lesya klatschte in die Hände. »Genau. Niemand hat erwartet, dass sie lange durchhalten, deshalb hat es niemanden überrascht, als sie starben.«
»Wollen Sie behaupten, sie wurden umgebracht?«, fragte Stone.
»Es ist nicht allzu schwierig, so alte und kranke Männer umzubringen. Nicht einmal, wenn sie sowjetische Premierminister sind.«
»Auf wessen Geheiß sollen sie getötet worden sein?«
»Auf Befehl Ihrer Regierung.«
Fassungslos starrte Finn seine Mutter an. »Das ist völlig unmöglich. Nach amerikanischem Gesetz ist es verboten, ausländische Staatsoberhäupter zu ermorden.«
Lesya prustete. »Was bedeutet das schon, wenn man einen Atomkrieg abzuwenden versucht, der den ganzen Planeten vernichten könnte? Gewiss, Andropow und Tschernenko waren alte Männer, aber sie waren auch kommunistische Betonköpfe. Sie standen im Weg. Unter ihrer Führung hätte sich niemals etwas geändert. Und die Sowjetunion war ins Wanken geraten. Sie stand mit dem Rücken zur Wand. Es gab zunehmend Gerüchte über extreme Verzweiflungsschritte, die die Führung der Kommunistischen Partei erwog, um der Sowjetunion ihren Rang als Supermacht zu bewahren. Zu solchen Maßnahmen durfte es niemals kommen. Gorbatschow musste freie Bahn erhalten. Denn auch wenn
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