Camel Club 03 - Die Spieler
einen Augenblick der Verwirrung, um die Situation in den Griff zu kriegen. Und wie ich sehe, hatte er wohl recht.« Er blickte Stone an. »Jetzt verstehe ich, weshalb meine Tochter dir so sehr vertraut.«
Stone warf Reuben einen Blick zu. »Paddy und ich haben uns unterwegs länger unterhalten«, erklärte Reuben und klopfte dem Iren den Rücken. »Und eins muss ich sagen, dieser Prachtkerl kann fahren.«
»Ich habe meine Laufbahn als Fahrer angefangen«, sagte Paddy. »Natürlich nur in der Armee«, fügte er eilig hinzu.
Stone fuhr mit dem Lieferwagen voraus; Paddy und Reuben folgten im Truck. Alle waren zuversichtlich, glaubten sie doch, Bagger und dessen Handlanger geleimt zu haben. Doch es sollte nicht sein.
Alex rief an und teilte mit, dass von den Agenten, die er geschickt hatte, um Baggers Männer aufzulesen, die Nachricht eingetroffen war, das Paar sei verschwunden. Auch alle anderen Neuigkeiten erwiesen sich als schlecht. Die Pistole, die Stone Mike abgenommen hatte, war nicht registriert, die Seriennummer hatte man abgeschliffen, und der Lieferwagen war als gestohlen gemeldet. Da die Kidnapper Baggers Namen nicht erwähnt hatten, gab es nichts, um sie mit dem Kasinokönig in Verbindung zu bringen. Man konnte ihn nicht einmal zur Vernehmung vorladen. Die Dienststelle fand wenig Vergnügen an sinnlosen Aktionen. In Zukunft, so ließ sie ganz deutlich durchblicken, kam die Kavallerie nicht mehr auf Abruf angebraust.
Jetzt standen sie in ihrem Kampf gegen Bagger offenbar wieder bei null.
Die schlimmsten Sorgen jedoch quälten Oliver Stone. Illegale Schusswaffe ohne Seriennummer, gestohlener Lieferwagen, keine Ausweispapiere, Gefesselte verschwanden des Nachts spurlos? Wenn die Entführer nun doch keine Männer Baggers gewesen waren? Wenn sie es gar nicht auf Annabelle abgesehen hatten, sondern auf ihn, Oliver Stone?
KAPITEL 50
Als Mike und seine Gefangenen nicht am verabredeten Ort erschienen, brüllte Bagger nicht herum, sondern wurde nachdenklich. Bei all seinem Temperament hatte er zugleich einen scharfen Verstand und konnte viel gründlicher überlegen, als die meisten Leute glaubten. Man kam nicht so weit wie Bagger, wenn man Probleme nicht aus jedem Blickwinkel durchdachte.
Der Kasinokönig wusste, dass es nachteilig wäre, Mike zu verlieren. Schlimmer noch – er hatte keinen blassen Schimmer, an wen er Mike verloren haben könnte oder was Mike womöglich ausplauderte. In dieser Stadt wimmelte es von Regierungsbullen. Spuckte man an irgendeiner Straßenecke aus, traf man mühelos fünf von ihnen. Bagger, der dank seines Instinkts schon zahlreiche gefährliche Situationen durchgestanden hatte, war in eine neue Bredouille geraten; er spürte es. Natürlich hätte er jetzt in seinen Privatjet steigen und sich absetzen können, doch das hätte allem widersprochen, worauf seine Karriere sich stützte. Jerry Bagger lief niemals vor irgendwelchen Schwierigkeiten davon.
Er tätigte mehrere Anrufe. Mit dem ersten Telefonat beorderte er Verstärkung aus Atlantic City herbei. Dann rief er Joe an, seinen PI-Spezialisten, und beauftragte ihn, zusätzliche Informationen zu besorgen, denn Bagger hatte das dringende Gefühl, besser im Bilde sein zu müssen, sobald die Lage tatsächlich bedrohlich wurde. Der letzte Anruf galt seinem Anwalt, der mehr über Baggers Geheimnisse wusste als jeder andere Zeitgenosse. Unverzüglich machte der Winkeladvokat sich daran, Alibis zu konstruieren und Rechtsmittel vorzubereiten für den Fall, dass das FBI an die Tür seines Mandanten klopfte.
Nachdem er diese Vorkehrungen getroffen hatte, beschloss Bagger, allein einen Spaziergang zu unternehmen. Im Gegensatz zu Atlantic City wurden im D. C. früh die Bürgersteige hochgeklappt. Selbst am Wochenende hatten so spät am Abend nur noch wenige Restaurants, Bars oder Clubs geöffnet. Doch zehn Häuserblocks weiter entdeckte Jerry eine Neonlichtkneipe, ging hinein und schwang sich am Tresen auf einen Hocker. Bei einem Barkeeper, dessen Gesichtszüge anzeigten, dass das Leben auf ihn eine ähnliche Wirkung gehabt hatte wie ein Vorschlaghammer, bestellte er einen Whiskey Sour mit Soda zum Nachspülen. Der Fettsack neben Bagger stierte trübsinnig in sein Bier, und ein Elvis-Costello-Song dudelte aus einer zerbeulten Musicbox, an der Bier und Tränen von Jahrzehnten klebten.
In solchen Kaschemmen war Bagger aufgewachsen und hatte Kleingeld ergaunert. Sechzig Jahre später arbeitete er nach wie vor als Gauner, doch zählten seine
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