Camel Club 04 - Die Jäger
dass der Laden ihr gehört. Sie heißt Abigail, aber alle rufen sie nur Abby.«
Danny steckte einen Schlüssel in die Vordertür des Restaurants und winkte Stone hinein.
»Wohnt deine Mutter hier?«
»Nee, aber über dem Restaurant gibt’s ’ne Wohnung. Da kannst du den Rest der Nacht pennen.«
»Und was machst du?«
»Ich muss ein paar Dinge erledigen. Muss zu Bekannten. Ein bisschen an mir rumflicken.« Er wies auf Gesicht und Bein.
»Was denn? Bekommt man bei euch um diese Uhrzeit einen Arzt?«
»Ich brauche keinen Arzt. Ich fühle mich nicht anders als freitagabends nach dem Football. Von so was darf man sich nicht das Leben vermiesen lassen. Mir reicht ’ne Kurzbehandlung.«
»Bist du sicher, dass es in Ordnung geht, wenn ich hier übernachte?«
»Klar. Ich komme ungefähr um die Zeit wieder, wenn Mom fürs Frühstück aufmacht, dann erkläre ich ihr alles.«
Stone sah sich in dem Restaurant um. An einem Ende der Räumlichkeit stand eine lange, glänzende Mahagonitheke mit Barhockern; am anderen Ende standen Billardtische und eine Musikbox aus den 50ern. Dazwischen waren Tische mit karierten Tischdecken und Kaffeehausstühlen verteilt. Es roch nicht nach schalem Bier; vielmehr duftete es nach Zitrone und Frischluft. Abigail Riker schien in ihrem Laden auf Sauberkeit und Ordnung zu achten.
»Sag mal, Danny, kann ich hier im Ort irgendeine Arbeit finden? Ich bin ein bisschen knapp bei Kasse.«
»Mal sehen, was ich tun kann.«
Danny führte ihn hinauf, und schon wenige Minuten später lag der erschöpfte Stone auf einem schmalen Bett und schlief.
Ein paar Stunden später erwachte er, weil er spürte, dass etwas Hartes seine Wange berührte.
Es machte ihn schlagartig hellwach.
Wie man es vom Doppellauf einer Jagdflinte vom Kaliber 12 nicht anders erwarten konnte.
KAPITEL 12
»Wer sind Sie, verdammt noch mal?«
Stone rührte sich nicht. Angesichts einer großkalibrigen Waffe waren schnelle Bewegungen nicht ratsam. »Sind Sie Abigail Riker?«
» Ich stelle hier die Fragen.«
Stone sah den Finger der Frau zum Abzug gleiten. »Mein Name ist Ben. Danny Riker hat mir erlaubt, hier zu übernachten.«
Sie schnitt eine noch grimmigere Miene und legte den Finger um den Abzug. »Sie lügen. Danny ist verschwunden.«
»Jetzt ist er wieder da. Wir haben uns im Zug kennen gelernt. Er war in eine Prügelei verwickelt, und ich habe ihm geholfen. Er hat ein bisschen was abgekriegt und beschlossen, erst mal wieder umzukehren. Ich habe ihn begleitet.«
Die Frau war Anfang vierzig, zierlich, ungefähr eins sechzig groß, mit schmalen Hüften und sehnigem Körper, der erkennen ließ, dass Essen ihr nicht allzu viel bedeutete. In ihren langen schwarzen, zum Zopf geflochtenen Haaren schimmerte ein wenig Silbergrau. Ihr Gesicht war hübsch, mit hohen, straffen Wangenknochen, und ihre grünen Augen funkelten Stone zornig an. »Wie viel hat er abgekriegt?«, schnauzte sie.
»Ist nicht weiter schlimm, bloß ein paar Prellungen. Sagen Sie, Ma’am, könnten Sie die Waffe aus meinem Gesicht nehmen? Falls sich nämlich zufällig ein Schuss löst, sehe ich bestimmt wesentlich übler aus als Danny.«
Sie trat einen Schritt zurück, hielt das Gewehr aber auf halber Höhe zwischen dem Fußboden und Stones Gesicht. »Sie haben Danny geholfen? Warum?«
»Es waren drei gegen einen. Kam mir unfair vor. Haben Sie was dagegen, wenn ich aufstehe? Ich krieg Rückenschmerzen.«
Sie trat noch einen Schritt zurück. Stone stemmte sich hoch und räkelte sich. Einen Moment später waren auf der Treppe Schritte zu hören. Danny erschien und verzog das gutaussehende, aber geschwollene Gesicht zu einem Grinsen, als er die Situation erkannte. »Oh, ihr habt also schon Bekanntschaft geschlossen.«
»Ja«, sagte Stone gereizt und starrte auf die Flinte. »Es war ein wirklich süßes Erwachen.«
Dannys Mutter war völlig entgeistert, ihren Sohn so plötzlich vor sich zu sehen. »Danny, was ist denn nur los mit dir?«, fragte sie, als sie die Sprache wiedergefunden hatte. »Ständig redest du vom Fortgehen und brichst mir das Herz. Ich heule mir die Augen aus, und jetzt bist du wieder da?« Sie schwenkte das Gewehr in Stones Richtung. »Aber nur für ein Weilchen, sagt dieser Mann.«
»Ich muss einen Umweg nehmen, Mom. So was kommt vor. Eine Pechsträhne.«
»Anscheinend ist dein Leben eine einzige Pechsträhne.« Die Frau senkte die Waffe und richtete den Blick auf Stone. »Der Mann sagt, er hat dir bei einer Schlägerei geholfen.
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