Camorrista
in Halbliter-Plastikflaschen her. Ich glaube, man inhaliert es durch einen Strohhalm.«
»Hat unser Mann sich nach der Festnahme entschlossen zu kooperieren?«
Reja dreht sich ruckartig um, als wäre er bis vor einer Sekunde in Gedanken versunken gewesen, hebt die mächtigen Schultern und öffnet eine schwarze Gürteltasche, die unter seinem weiten Hemd verborgen war.
»Scheint so. Nach Meinung der Staatsanwaltschaft riskiert er eine Menge. Die Kommission muss innerhalb einer Woche über das Schutzprogramm entscheiden. Aber wenn sie es in die Länge ziehen sollten, verlegen wir ihn an einen sichereren Ort.«
Ich sehe aus dem Fenster. Die gelbe Straße unterbricht die akkuraten Rebstockreihen, die so gerade verlaufen wie Rippen im Cord.
»Ist er hier nicht sicher genug?«
»Nein.«
»Es ist aber doch ein ruhiger Ort.«
»Zu ruhig.«
Er gibt mir einen verschlossenen Briefumschlag, weiß und unbeschriftet, erklärt mir, dass ich die ganze Woche damit auskommen muss. Ich stecke ihn in die Handtasche, ohne ihn zu öffnen (von der Dicke her würde ich sagen: tausend Euro in Fünfzigern).
»Wir haben uns gedacht, dass auch der Leiter des Zentrums nicht erfahren sollte, wie der Neuzugang wirklich heißt«, sagt er und kramt wieder in seiner Gürteltasche. Ich weise darauf hin, dass Padre Jacopo darauf besteht zu wissen, wen er aufnimmt, und mir Probleme machen könnte.
»Das kriegst du schon hin. Sein Name ist der, der auf den Tarndokumenten steht, und fertig.«
»Und wo sind sie, die Tarndokumente?«
»Kommen heute Nacht mit ihm an.«
Er setzt sich auf den Tisch, schiebt sich seine Locken aus der schweißnassen Stirn. Zwischen seinen Fingern funkelt ein grün fluoreszierendes Stäbchen. Ich weiß nicht recht, was das ist.
»Und im Zentrum? Weiß da schon jemand, dass du von der Polizei bist?«
»Nein. Nur Padre Jacopo.«
»Perfekt. Für alle anderen, Mitarbeiter eingeschlossen, bist du die ältere Schwester unseres Mannes. Und der muss den Kontakt zu den anderen im Zentrum auf das unvermeidliche Minimum beschränken.«
»Und damit meinst du?«
»Damit meine ich: null.«
»Im Zentrum sind keine anderen Vorbestraften.«
Er mustert mich erstaunt, aber überheblich.
»Das möchte ich sehen, Kollegin. Machen wir weiter: Er weiß, dass du Rosa heißt und von der Polizei bist. Wenn es irgendein Problem gibt, löst du es für ihn. Punkt. Er darf nicht wissen, wo du wohnst, wie du mit Nachnamen heißt, ob du verheiratet bist, nichts. Er darf deine Nummer nicht haben, auch weil es im Augenblick gut ist, wenn er vergisst, wie ein Telefon überhaupt aussieht. Und egal was ist, Padre Jacopo kann dich Tag und Nacht erreichen, haben wir uns verstanden?«
»Wir haben uns verstanden.«
»Noch etwas: Hier in der Gegend fällt ein neues Gesicht allen auf. Also: Große Spaziergänge nur innerhalb des Geländes, und nur wenn du dabei bist. Klar?«
(Es ist klar, dass ich bei einem solchen Typen mehr oder weniger als Strafvollzugsbeamtin fungiere.) Ich möchte ihm sagen, dass ich mich nicht mehr dazu in der Lage fühle. Doch das kann ich jetzt nicht, dies ist mein erster Auftrag, und
ich klammere mich an die einzige positive Seite des Ganzen. Es dauert höchstens eine Woche, dann geht »die dringlichen Sonderschutzmaßnahmen unterstellte Person« in eine große Stadt, weit weg von hier, und wird unter Aufbietung weniger dringlicher Schutzmaßnahmen von irgendjemand anderem in Obhut genommen.
Reja kommt mit seiner Liste von Handlungsanweisungen ans Ende. Es ist eine besondere Lage, und dieser Typ muss sich die Regeln fest einprägen, und zwar sofort. Er muss wissen, dass ich der Zentralen Abteilung über alles berichte, selbst darüber, wie viele Zigaretten er raucht. Bei der kleinsten Verfehlung: Ende der Ferien und Rückkehr ins Gefängnis.
»Und dann hat er ein Problem«, sagt Reja schließlich, hebt die Augenbrauen und verzieht die Lippen. Das ist kein Lächeln, nur Haut, die sich auf dem kantigen Draufgängergesicht spannt. Zum Schluss reduziere ich die Möglichkeiten auf zwei, die da wären: Der Typ verbringt im Gefängnis entweder die nächsten drei Jahre in Isolationshaft, oder er lebt höchstens drei Tage, gerade so lange, wie sie brauchen, um eine Gelegenheit zu finden, ihm die Kehle durchzuschneiden.
Reja steht auf und tritt ans Fenster.
»Man kommt hier um vor Hitze.«
»Padre Jacopo hat Anweisung gegeben, nichts anzufassen und die Fenster nicht zu öffnen.«
Diese Räume darf seit einer ganzen Weile
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