Camorrista
einen Fuß auf den anderen, um der elenden Kälte des Steinfußbodens zu entkommen.
»Für die Anzeige stehe ich zur Verfügung. Sie finden mich unten, in meinem Büro.«
Ich danke ihm noch einmal, dann rufe ich Morano an.
»Und jetzt? Was machst du jetzt? Bringst du mich ins Gefängnis?«
Cocíss sitzt am Kopfende des Betts, kreuzt die Beine und zerknüllt die Decken dabei. Er hat zwei Finger in die Hosenschlaufen gehakt und betrachtet das verwüstete Zimmer, als hätte er in diesem Chaos etwas verlegt. Der Stuhl liegt zertrümmert in einer Ecke, und der Tisch hat ein schiefes Bein.
»Mich haben sie nicht mal zum Doktor gebracht. Sieh mal hier.«
Ein angeschwollener rosa Streifen zieht sich von seinem Handgelenk bis zum Ellbogen.
»Dann rufe ich jetzt den Doktor für dich.«
Er lässt ein paar Flüche los und steckt die Hände in die Taschen.
»Reg dich ab. Das ist besser für alle.«
Er nimmt langsam den Blick von dem Schrank, der wie ein Sarg aussieht, und richtet ihn auf mich. Ich habe das komische Gefühl, dass er mich nur mit Mühe erkennt, wie einen Schatten, der etwas dunkler als die anderen ist.
»Die haben alle hinter deinem Rücken gelacht, die kleinen Schlampen. Ich musste dich verteidigen. Du bist schließlich meine Schwester, oder nicht?«
(Das hat uns gerade noch gefehlt. Was will der denn, was erlaubt er sich?)
»Nein.«
Er steht jetzt aufrecht im Bett. Um Nase und Augen herum hat er eine Art rote Maske, wie eine hoch virulente Entzündung.
»Wieso nicht, für euch ist es eine Komödie, ihr hängt faul in euren Sesseln und schreibt Berichte. Aber mich bringen die hier um.«
»Niemand bringt dich um. Du bist in Sicherheit. Ich weiß, wie ich meine Arbeit mache.«
(Ich habe ihm geraten, sie anzuzeigen. Aber er wollte nicht, er hat Angst. Er hat gesagt, er glaubt, es sind gefährliche Leute.)
Er klettert vom Bett herunter, niest und wischt sich die Augen.
»Und helfe ich dir vielleicht nicht, deine Arbeit zu machen?«
»So jedenfalls nicht, das ist ja wohl klar.«
»Nein? Und diese beiden mit dem Fernglas, wer hat die gesehen?«
»Es war richtig von dir, mir das zu sagen, und ich habe mich informiert: Es waren zwei Wilderer, die Fallen gestellt haben.«
(Frauen lügen alle, würde mein Vater sagen. Das heißt nicht, dass sich alle geschickt dabei anstellen.)
»Jedenfalls glauben jetzt alle, dass du wirklich meine Schwester bist. Und keiner lacht mehr hinter deinem Rücken.«
Ich bemühe mich, sofort darüber hinwegzugehen (da klingt Stolz mit in dem, was er sagt).
»Nur schade, dass du jetzt eine Anzeige kriegst und uns das Leben komplizierst.«
Er sieht mich an, und in seinen Augen blitzt es kurz auf.
»Dann braucht ihr mich ja jetzt nicht mehr.«
Ich hoffe, er glaubt nicht, dass er mich weich machen kann.
»Hör auf damit.«
»Ich will mit dem Dottor D’Intrò sprechen. Hier läuft doch alles schief.«
»Du wirst mit Dottor D’Intrò sprechen. Er erwartet dich übermorgen.«
(Noch eine Lüge, jetzt sieht er dich an und durchschaut dich.) Aber nein, dieses Mal sieht er nicht mal hoch, und die Tür geht auf. Ich fahre herum. Salvo ist in Bomberjacke und schwarzen Jeans, Morano trägt einen blau-grünen Trainingsanzug aus Viskose.
»Alles in Ordnung, Kollegin?«
»Ja, alles in Ordnung«, antworte ich und beobachte Cocíss aus den Augenwinkeln. Er rührt sich nicht, als wären seine Schultern an der Wand festgeklebt.
»Die beiden Flachwichser haben gerade noch gefehlt«, bemerkt er.
»Hörst du jetzt auf oder nicht?«
Morano klettert über die Scherben des Tabletts und baut sich in der Mitte des Zimmers auf. Er lässt seinen Blick schweifen, um das von Cocíss angerichtete Chaos zu erfassen,
dann hebt er die Baumwolldecke, das Kissen und die auf dem Boden zusammengeknüllten Betttücher auf. Er seufzt geduldig wie eine Frau vom Reinigungsdienst, die alles in Ordnung bringen muss.
Ein Tritt gegen den Ellbogen mit den Verbrennungen, und Cocíss klappt zusammen wie ein Koffer. Salvo wirft sich mit seinem ganzen Gewicht auf ihn, um ihn auf dem Boden zu halten, und Morano wickelt ihm das Betttuch um Kopf und Hals. Dann bindet er ihm mit der Tagesdecke die Arme auf der Brust zusammen, und zum ersten Mal höre ich Cocíss schreien. Ein paar Tritte in den Magen nehmen ihm den Atem und überzeugen ihn, nicht mehr so unruhig zu sein.
»Seid ihr verrückt geworden?«, rufe ich.
»Gehst du die Anzeige des Padre aufnehmen, Kollegin? Danke.«
»Was soll das denn
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