Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Camorrista

Titel: Camorrista Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giampaolo Simi
Vom Netzwerk:
zu tun, als verstände er nichts davon, und äußere mich nur vorsichtig.
    Dann sehe ich den Typen an der Registrierkasse sitzen, im rosaroten Schein einer Tischlampe. Sofort klinke ich mich aus der Unterhaltung aus, und Maurizio bemerkt es, vielleicht ist er auch beleidigt. Ich versinke wieder in meiner Arbeit für das Innenministerium. In meiner unsichtbaren Uniform.
    Ich entschuldige mich, stehe auf und gehe zur Toilette, um nachzudenken. Es war dunkel, ich könnte mich täuschen (aber nein, er ist es). Das dickliche Gesicht, die langen und glatten rötlichen Haare, die altmodische Brille. Aber sicher ist er es (ich lasse mich von Cocíss’ Paranoia anstecken). Ich beschließe herauszufinden, ob er mich wiedererkennt.
    Ich verlasse die Toilette und heuchle ein plötzliches Interesse für Töpferwaren in einem Schaukasten. Länger als eine Minute bleibe ich vor dem Typ stehen, aber er ist mit irgendwelchen Abrechnungen beschäftigt. Er trägt ein blaues Hemd mit einem Unterhemd darunter und ein blaues Jackett, auf dem die Kette mit dem silbernen Tastevin nicht zu übersehen ist.

    Ich warte und gehe noch einmal an ihm vorbei, als er fertig ist.
    Uns genügt ein Blick. Ja, er ist es. Und er hat mich auch erkannt. Ich lächle, er streckt aus Verlegenheit den Hals, ruft den Kellner wegen einer Bestellung, »bei der man rein gar nichts versteht«, sieht mich dann wieder an. Er ist richtig bestürzt.
    »Könnte ich Sie einen Augenblick sprechen?«, frage ich ihn ein bisschen süßlich.
    Er schiebt die Brille nach unten und fokussiert mich.
    »Sehen Sie nicht, dass ich arbeite?«, sagt er eher zahm. Doch er lächelt nicht.
    »Wo haben wir uns schon einmal gesehen, Sie und ich?«
    Bei diesen Worten rutscht er von seinem Hocker, nimmt einen Schlüssel und öffnet die Tür mit dem Schild »Privat«.
     
    »Genügt es Ihnen nicht, dass Sie mir die Kamera und das Fernglas ruiniert haben?«
    Der Typ hat sich hinter dem Schreibtisch verschanzt und ist gleich zum Angriff übergegangen.
    »Sie haben auch noch die Stirn, in mein Restaurant zu kommen? Und weshalb? Sie wollen doch nicht etwa Geld? Was meinen Sie dabei herausschlagen zu können, Sie und Ihr … Was ich sagen will: Seien Sie vorsichtig, denn wenn Sie sich auf dem Land herumgetrieben haben, Sie und Ihr …«
    »Mein Kollege«, helfe ich ihm, den Satz zu beenden.
    »Kollege? Kollege bei was?«
    (Jetzt fällt er in Ohnmacht.)
    »Bei der Polizei.«
    Er nuschelt, dass er kein Verbrechen begangen hat, und außerdem waren wir ja auch nicht bei uns zu Hause, er schaut nie bei den Leuten in die Häuser rein. Vor Aufregung kriegt er überall im Gesicht rosa Flecken, so rosa wie das Fleisch von gekochten Garnelen. Ich warte, bis er sich ein bisschen beruhigt hat, und sehe mir in der Zeit sein Büro an. Überall stehen ausgestopfte Tiere herum: eine Eule, ein Dachs, ein Fasan mit
kobaltblauem Hals und sogar ein Fuchs. Über einem Rollladenschrank hängt die Vergrößerung eines Nachthimmels mit einem vorbeiziehenden Kometen.
    »Hören Sie zu: Sie helfen uns ein wenig, und wir vergessen alles.«
    »Helfen?«
    Die Vorstellung, der Polizei zu helfen, versetzt ihn in die gleiche Aufregung wie die Angst, Ärger zu bekommen. Ich glaube, ich weiß, was für ein Typ er ist. Mein Vorschlag müsste ihm eigentlich gefallen.
    »Ich möchte wissen, ob Ihnen in den letzten Nächten in dieser Gegend irgendwelche ungewöhnlichen Leute oder Vorkommnisse aufgefallen sind. Leute, die Sie nicht kennen.«
    Er sieht mich an und wird noch blasser.
    »Muss das sein?«
    »Warum?«
    »Einem Freund von mir haben sie die Kamera mit Teleobjektiv abgenommen. Sie haben ihn auch mit der Pistole bedroht. Aber ich habe sie fotografiert, wissen Sie? Ohne dass sie es gemerkt haben. Ich habe ihm geraten, sie anzuzeigen. Aber er wollte nicht, er hat Angst. Er hat gesagt, er glaubt, es sind gefährliche Leute. Nie zuvor hier gesehen. Schienen aus dem Süden zu kommen. Am besten, man hält sich von denen fern.«
    »Haben Sie es hier, das Foto?«
    »Hören Sie, ich zeige niemanden an.«
    »Brauchen Sie auch nicht.«
    »Und ich sage nicht als Zeuge aus.«
    »Ich habe Sie nach dem Foto gefragt. Hören Sie mir zu oder nicht?«
    »Ich will meine Ruhe haben. Ich habe drei Kinder.«
    »Das Foto, und Sie und ich haben uns nie gesehen.«
    »Und Ihr Kollege, dieser Bastard?«
    »Ich rede mit ihm.«

    Als ich das Büro mit den ausgestopften Tieren verlasse, habe ich eine CD in der Handtasche, auf der nur eine einzige Datei ist.

Weitere Kostenlose Bücher